In der sternförmigen theresianischen Arader Festung leistete ich 1973/74 meinen Militärdienst. Das Bauwerk mit strategisch ausgefeilten Vorwerken, von der Marosch umflossen, war eine der bedeutendsten Festungen der Habsburger gegen die Osmanen.
Wir waren ein Jahrgang mit rund 80 Studenten der Temeswarer Mechanik Fakultät. Und wir waren ein Abbild der Nationalitäten rund 50 Jahre nach dem Zerfall der Donaumonarchie: neben Rumänen in der Mehrzahl noch Ungarn, Deutsche, Juden, Serben, Mazedonier, Roma, Slowaken.
Aus meinem Etagenbett, einem von rund 40 im Raum, konnte ich die ehemalige doppeltürmige franziskanische Festungskirche, die nun als Depot diente, sehen. Von offizieller Seite wurde über die k.u.k.-Geschichte dieser Festung nicht gesprochen.
Erst viel später durch das Internet erfuhr ich wichtige historische Ereignisse, die in dieser Festung stattgefunden hatten. Hier wurden z.B. die Anführer der ungarischen Revolution von 1848 hingerichtet. Auch der Attentäter von Sarajevo Gavrilo Princip, dessen Tat 1914 mit zum Ausbruch des 1. Weltkrieges geführt hatte, war hier inhaftiert gewesen.
Die Studentenkompanie, der ich angehörte, wurde von der Kommandantur als intellektuell eingestuft und sollte von Drill möglichst verschont bleiben.
Als Ausgleich sollten wir umso mehr patriotische Kulturveranstaltungen gestalten. Eine besondere Aufführung ist mir in Erinnerung geblieben. Es handelte sich um ein Musical mit Militärkapelle und Chor, in dem die Befreiung des Landes von den deutschen Faschisten inszeniert wurde.
Die Aufführung war Teil einer großangelegten Propaganda-Kampagne. Als deren Höhepunkt wurde dem rumänischen Diktator im März 1974 ein Zepter verliehen. Es war eine Kopie der Insignie des ehemaligen rumänischen Königs Ferdinand. Das Zepter wurde dadurch zu einem Symbol des rumänischen Nationalkommunismus umfunktioniert, der damit zusätzlich aufgewertet wurde.
Beim geplanten Musical waren unsere Vorgesetzten für das “Casting” zuständig. Häufig machten die Offiziere im Umgang mit den ihnen Untergeordneten makabre Späße. Sie kamen auf die Idee, dass den deutschen Faschisten ein echter Deutscher spielen sollte.
Aufgrund meines Aussehens und der Tatsache, dass nach 12 Klassen in der deutschen Schule Rumänisch für mich immer noch eine Fremdsprache war, war ich für sie für diese Rolle prädestiniert.
Ich bekam eine Holzattrappe als Gewehr. Damit sollte ich die tapferen Verteidiger des Vaterlands im Rhythmus patriotischer Lieder aggressiv tanzend angreifen. Die Choreografie sah vor, dass ich zuletzt von ihnen besiegt wurde und vernichtet am Boden lag.
Ich war schockiert, denn ich hatte weder Begabung fürs Schauspielern noch für’s Tanzen. Glücklicherweise hatten das auch die Regisseure schon bei der ersten Probe erkannt.
Die Rolle des Faschisten spielte schließlich ein rumänisch national gesinnter Kollege mit schauspielerischem Talent so überzeugend, dass er stehenden Applaus bekam. Durch den so glaubwürdig gespielten Hitleristen war der Sieg erst vollkommen.
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