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Das Banat fasziniert mich bis heute

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Interview mit der Mitbegründerin von banat-tour.de, Reiseleiterin und Autorin Astrid Ziegler über das Projekt banattour, ihre Arbeit als Kulturvermittlerin zwischen Vergangenheit und Gegenwart und den Versuch, der vielfältigen Geschichte und Gegenwart des Banats eine digitale Heimat zu geben. Das Gespräch führte Bogdan Mihai Dascălu.


Sie arbeiten gemeinsam mit Hans Rothgerber am Projekt BanatTour.

Wie ist die Idee dieser Projekt-Initiative entstanden?


Fast fünf Jahre ist es nun her, dass ich mitten im Lockdown der Corona-Krise von einem Tag auf den nächsten ohne Arbeit und zu Hause saß.

In dieser Zeit der erzwungenen Ruhe begann ich zu reflektieren, mich mit meiner Herkunft auseinanderzusetzen – und schrieb meinen ersten Text über die Postkartensammlung meiner Billeder Urgroßmutter.

Veröffentlicht wurde diese lokalgeschichtliche Spurensuche schließlich im Billeder Heimatblatt. Über die Redaktion kam ich in Kontakt mit Hans Rothgerber, der die Publikation betreut.

Bald entstand die Idee, meinen Geschichten ein digitales Zuhause zu geben und eine Webseite als Plattform zu schaffen mit der Adresse banat-tour.de. Daraus wurde eine virtuelle Tour durchs Banat mit Texten, Fotos und Videos. Wir begannen an der Schnittstelle von Literatur, Geschichte und Kultur Beiträge zu veröffentlichen. Seit dem Ende der Pandemie finden neben den regelmäßig veröffentlichten Texten auch zahlreiche reale Veranstaltungen statt: Lesungen, Vorträge und Ausstellungen, wie zum Beispiel der 2021 von uns organisierterte “Billeder Kultourtag”, der vom Kulturwerk der Banater Schwaben in Bayern gefördert wurde.


Gibt es Statistiken zu den Aufrufen eurer Seite? Wie viele stammen aus Deutschland, wie viele aus Rumänien? Und was sagen diese Zahlen deiner Meinung nach aus?


Von Beginn an analysierten wir die Zugriffszahlen – mit überraschenden Ergebnissen: Die Banat-Tour findet nicht nur in Deutschland und Rumänien Anklang, sondern wird in zahlreichen europäischen Ländern und sogar weltweit gelesen. Websitebesucher aus Deutschland und Rumänien rufen die Seite ebenso auf wie Leser aus Österreich, der Schweiz, Ungarn, den USA, Kanada oder Brasilien. Wir gehen davon aus, dass es weltweit Besucher sind, die einen Banater Hintergrund besitzen. Die Zugriffe aus Rumänien betragen dabei ungefähr ein Achtel derer aus Deutschland.

Wir erreichen durch manche Beiträge aber auch ein Publikum, das bisher keinen direkten Bezug zur Region hatte, aber sich für bestimmte Themen interessiert. Zum Beispiel der Artikel über die bayerische Prinzessin Gisela, die erste christliche Königin Ungarns, führte zu einem Vortrag für einen bayerischen Heimatverein.

Viele Beiträge erreichen vierstellige Aufrufzahlen. Das zeigt: Die Banat-Tour schafft nicht nur Reichweite, sondern auch ein nachhaltiges Interesse an dieser Region mit ihrer ganz besonderen Geschichte und Kultur.


Welches Feedback bekommst du von diesen Menschen? Und welches von Deutschen, die das Banat vielleicht nur vom Hörensagen kennen?


Die Resonanz auf unsere Beiträge ist durchweg positiv, die Leute schätzen die Aktualität, die Vielfalt und Qualität der Beiträge unabhängig davon, ob es sich um Texte, Videos oder Fotos handelt. Viele Leser schätzen den Stil, der sowohl anspruchsvoll als auch unterhaltsam ist.

Viele, die aus dem Banat stammen, entdecken in den Artikeln und Videos ihre alte Heimat neu – mit anderen Augen, in einem neuen Licht. Und zwar unabhängig davon, ob sie das Banat noch als Heimat betrachten oder nicht. Ältere, in Deutschland inzwischen fest verwurzelte Aussiedler lesen gerne unsere Texte, da sie sich gerne erinnern und über das “Heute” im Banat lesen wollen, selbst, wenn sie nur noch selten hinfahren.

Und es gibt viele, die sich für meine Perspektive des ausgewanderten Kindes, das oft hin und hergerissen im Banat wieder heimisch geworden ist, interessieren. Sehr am Herzen liegen mir die Rückmeldungen der Jugend und wir hoffen, bei ihnen das Interesse an Geschichte und Kultur des Banats zu wecken.

Wie sehr unser Publikum die von uns vorgestellten Themen annimmt, zeigt sich nicht zuletzt in der Interaktion, die auf der Seite möglich ist und den umfangreichen Diskussion zu den Artikeln in den sozialen Medien.


Mit Banat Tour förderst du das Image Rumäniens und insbesondere des Banats – einer Region, aus der viele Banater Schwaben nach Deutschland zurückgekehrt sind.


Wenn man die Auswanderung der Banater Schwaben nach Deutschland als Rückkehr bezeichnet, bemüht man eher einen Mythos als die historische Realität. Doch das nur am Rande gesagt, denn die Überlegungen zu diesem Thema wären einen eigenen Artikel wert.

Mit der Banat-Tour wenden wir uns an Menschen, die sich für die vielschichtige, multikulturelle und multikonfessionelle Region Banat interessieren, das Image Rumäniens betrifft das am Rande. Wir wecken allenfalls Interesse indem wir Texte zu Literatur, Kultur und Geschichte zur Verfügung stellen.


Als Gästeführerin war und bin ich es gewohnt, die Vorzüge einer Stadt oder Region hervorzuheben. Man lädt Gäste ja meistens ins ordentlich hergerichtete Wohnzimmer ein, an den gedeckten Tisch – und nicht in die Rumpelkammer.

Auch in meinen virtuellen Streifzügen versuche ich, das Besondere festzuhalten – das Unverwechselbare, das Lebendige, das, was das Banat einzigartig macht. Es ist das, was mich damals fasziniert hat und was mich bis heute nicht loslässt.


Welche Themen kommen bei euren Beiträgen besonders gut an oder werden am häufigsten behandelt?


Beiträge zur Temeswarer Stadtgeschichte – ebenso wie persönliche, erlebte Geschichten aus Temeswar – stoßen stets auf großes Interesse. Ich selbst habe als Kind noch das besondere Lebensgefühl in der Hauptstadt des Banats erlebt, bevor der Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung ausgewandert war.


Großen Anklang finden auch historische Beiträge zur Banater Geschichte – etwa zur Belagerung Temeswars vor der osmanischen Eroberung oder zur Geschichte der Burg Schoimosch. Diese Artikel stoßen auf großes Interesse bei einem geschichtsaffinen Publikum und zeigen, wie vielschichtig das kulturelle Erbe der Region ist.

Es freut mich, dass auch meine aktuellen Erfahrungen als eine Art Rückkehrerin – oder besser gesagt: Teilzeit-Rückkehrerin – in der Gemeinde Paulisch so gut aufgenommen werden. Denn auf unserer Banat-Tour-Seite geht es nicht ausschließlich um die Vergangenheit – schon gar nicht um eine nostalgisch verklärte. Es gibt immer auch einen Bezug zum Leben im Hier und Jetzt. Es sind bereichernde Begegnungen, Beobachtungen und Eindrücke, die ich vor Ort erlebe und mit anderen teile. Auch diese persönliche Perspektive scheint unser Publikum besonders anzusprechen.


Was müsste deiner Meinung nach heute getan werden, um das Image des Banats noch besser zu fördern?


Es lohnt sich, den Blick auf die Stärken zu richten – nicht auf die Schwächen, die es natürlich auch gibt, wie überall auf der Welt. Gerade im Banat ist es oft diese besondere Mischung aus Gelassenheit und Lebensfreude, die den Reiz der Region ausmacht.

Die multikulturelle Tradition des Banats wird zurecht oft erwähnt. Was das Banat zudem auszeichnet, ist die gelungene Verbindung von Tradition und Moderne – ein Image, das ruhig stärker betont werden dürfte. Es sind gerade die jungen Menschen, die dieses Spannungsfeld mit Leben füllen. Unabhängig davon, ob sie aus deutschen, rumänischen oder ungarischen Familien stammen: Sie tragen mit Stolz banatschwäbische Trachten auf traditionellen Kerweihfesten – und bewegen sich gleichzeitig selbstverständlich in einer digital vernetzten, globalisierten Welt. Sie sind hervorragend ausgebildet, sprachgewandt, mobil und bereit, ihre Zukunft im Banat oder anderswo in Europa zu gestalten.

Der Ausdruck „Banatu-i fruncea“ – das Banat an der Spitze – ist nicht nur ein geflügeltes Wort, sondern in gewisser Weise das rumänische Pendant zum bayerischen „Mia san mia“. Es steht für eine Haltung, die stolz ist, ohne überheblich zu sein – und für eine Region, die Tradition und Fortschritt mit Selbstverständlichkeit verbindet.


Wie könnte das Banat heute als integraler Teil eines modernen, dynamischen Europas wahrgenommen werden?


Im Banat war kulturelle Vielfalt nie bloß eine leere Floskel, sondern über Jahrhunderte gelebte Realität. Die Bevölkerungsverhältnisse vergangener Zeiten haben sich verändert, doch das Miteinander der heute hier lebenden ethnischen und kulturellen Gruppen ist geblieben – und sollte auch in Zukunft bewahrt und gestärkt werden.

Diese Region, die aus gutem Grund als „Europa im Kleinen“ bezeichnet wird, war und ist ein Modell für friedliches Zusammenleben und kulturellen Austausch. Heute ist das Banat fest eingebunden in ein vereintes Europa – nicht zuletzt durch die vielen Ausgewanderten, die familiär, beruflich oder emotional weiterhin mit ihrer Heimat verbunden sind und über Grenzen hinweg wirken.

Gerade in Zeiten europäischer Freizügigkeit kann eine solche Gegend auch durch zahlreiche Rückkehrer neue Impulse erhalten. Sie wird zu einem lebendigen Knotenpunkt für grenzüberschreitende Begegnungen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und kulturellen Austausch – ein Raum, in dem Herkunft und Zukunft keine Gegensätze bilden, sondern sich gegenseitig bereichern.

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