Bayerische Kirchweih mit lebendiger Gans
- Astrid Ziegler

- 20. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Mit Susi im Wartezimmer
Da auf unserer Seite schon einiges über die Banater Kirchweih berichtet wurde, möchte ich hier in der Bayerischen Landeshauptstadt, am heutigen Kirchweih-Montag, festhalten, dass in Bayern auch Kirchweih gefeiert wird, und zwar ausgiebig.
Immer am dritten Sonntag im Oktober beginnt zentral in ganz Oberbayern das ehemals wichtigste Fest des bäuerlichen Lebens, das in der Vergangenheit an verschiedenen, über das Jahr verteilte Patrozinien, so wild und weltlich mit viel Bier und Gebratenem begangen wurde, dass Knechte und Mägde mehr feierten als arbeiteten. Die ländliche Bevölkerung fuhr Mitte des 19. Jahrhunderts im Jahreskreis von einer Kirta zur anderen von Dorf zu Dorf und ließ es zum Leidwesen der Obrigkeit, salopp gesagt, ordentlich krachen. Im Jahr 1866 boten die kirchlichen Autoritäten schließlich diesem Treiben Einhalt und setzten besagten einheitlichen Kirchweih-Termin fest. Am Kirta-Sonntag ist in unserer bayerisch-banater Familie ein Ausflug auf die Glentleitn zum Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern schon Tradition geworden. Wir fuhren wie jedes Jahr mit den Kindern zu dem geschichtsträchtigen Areal, um sie mit diesem alten bayerischen Brauchtum vertraut zu machen.

Bayerisch-blauer Himmel über einem typischen Bauernhaus
Diese wunderbare Anlage, oberhalb von Großweil im Voralpenland zwischen Murnau und dem Kochelsee gelegen, hat auf 38 Hektar rund 60 historische Gebäude aus ländlichen Gebieten aufzuweisen, die an ihrem Herkunftsort zum Teil schon mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hatten und an den Hängen der Glentleitn wiederaufgebaut wurden. So kann man dort neben stattlichen Bauernhäusern, Handwerker- und Kleinbauernanwesen auch Stätten ländlicher Technik besichtigen: eine Wetzsteinmacherei, Wassermühlen, ein Sägewerk und eine Schmiede. In den Anwesen geben historische Handwerkstechniken wie die Weberei, Sattlerei oder Töpferei Einblick in das bäuerliche Leben der Vergangenheit.

Eine ruhige Kugel schieben auf der historischen Holzkegelbahn
Am Kirchweihsonntag erwarten die Besucher über die sonstigen Sehenswürdigkeiten hinaus typische Kirta-Bräuche und Schmankerl. So locken bayuwarische Klänge wie die Kinschdorfer Harfnmusi oder die Schlehdorfer Hoagartnmusi, eine traditionelle hölzerne Kegelbahn, Goaßlschnoitzen, Kirtatanz im Jacklstadl oder die meterlange Kirtahutschn in der Scheune für Burschen und Derndl. Kulinarisch reizvoll erscheinen zu selbst gebrautem Bier Schmankerl der guten alten Zeit wie Holzofenbrot aus dem historischen Backhaus, frische Aus’zogne, Rahmfleckerl, Kirchweihnudeln, und die schon sprichwörtlich gewordene Kirchweihgans.
Wobei wir beim nächsten Thema wären: Ein Problem mit unserer Münchener Gans stellt den einzigen Wermutstropfen an diesem wunderbar sonnigen Tag, wie aus dem Bilderbuch, im idyllischen bayerischen Freilichtmuseum dar. Denn während die Massen schon Richtung Wirtschaft strömen, um sich dem obligatorischen Gänsebraten zu widmen, sind wir besorgt um unsere zum Glück noch lebendigen Susi (an anderer Stelle wurde schon über sie berichtet).
Die ältere der beiden Gänsedamen, die schon viele Jahre bei uns in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit der jüngeren Gusti lebt, ist ein nicht nur nützliches, sondern auch beglückendes Haustier. Ähnlich wie seinerzeit ihre antiken Artgenossen am Capitol warnt sie vor Fremden - im Viertel hier wird nicht selten eingebrochen - und hält den Rasen kurz. Das Schönste an der Gänsehaltung ist aber, dass der Anblick der großen weißen Vögel beim einträglichen Baden im Teich oder Grasen auf der Wiese so herrlich entschleunigend wirkt und förmlich therapeutisch Stress abbauend wirkt
Umso besorgter waren wir, als Susi vor zwei Wochen wegen eines Problems mit ihrer Bürzeldrüse ins “Gänsekrankenhaus” musste. Auf ihr entzündetes und blutendes Hinterteil war ich am verlängerten Woche um den Tag der Deutschen Einheit aufmerksam geworden, als alle normalen Tierarztpraxen geschlossen hatten. Nach zahlreichen Telefonaten stieß ich auf eine Praxis für Vögel und Exoten in Augsburg, die für ihre gefiederten Patienten auch im Notdienst geöffnet hatte. Dorthin brachten Vicky und ich die verletzte Gans noch am gleichen Abend und es war auch höchste Zeit, denn wo einst die Drüse zum Einfetten des Gefieders war, hatte sie eine klaffende Wunde. Kurze Zeit später wurde diese operativ verschlossen und Susi kam vor einer guten Woche endlich zu Gusti und uns zurück nach Hause.

Auch die Hündin Ursika, unten im Bild, war beim Familienausflug dabei.
An den Tagen, an denen ich um sie wie um ein Familienmitglied bangte, wurde mir die enge Verbindung zu meinen Tieren nochmal bewusst. Handelt es sich dabei, wie bei meiner Affinität zu Pflanzen, um ein Erbe meiner bäuerlichen Vorfahren aus dem Banat? Nicht als Fleischlieferanten oder Nutztiere wie früher, sondern für das gegenseitige Wohlbefinden gehe ich mit meinen Tieren eine enge emotionale Verbindung ein.
Umso beunruhigter war ich, als ich bei der täglichen Nachkontrolle entdeckte, dass Flüssigkeit aus der zum Glück noch geschlossenen OP-Naht tropfte. So drängte ich Benno dazu, mit uns am Nachmittag nach dem Kirchweihausflug nach Augsburg zum Vogeltierarzt zu fahren. Benno blieb nichts anderes übrig, als in dieser Notsituation zuzustimmen, obwohl er noch dringende geschäftliche Telefonate führen musste.
Also luden wir Susi wieder in den Umzugskarton, den wir schon beim letzten Mal als Transportbox umfunkioniert hatten, und machten uns auf den Weg. Es sah zu goldig aus: Unsere “goldene Gans”- wir hatten immerhin schon einiges in ihre Genesung investiert - streckte den langen Hals durch die Öffnung, die ich in die Pappe geschnitten hatte und verfolgte die Fahrt über die Autobahn aufmerksam ohne sich zu sträuben, als wüsste sie schon wo es hin geht. In der Praxis für Vögel- und Exoten war sie dem fachkundigen Tierarzt, der Dienst hatte noch vom letzten Mal als ihr Hinterteil schön vernäht worden war, bekannt. Selbst als er sanft auf Naht drückte, hielt Susi still, als wüsste sie, dass es zu ihrem Besten ist.
“Das ist Wundsekret, kein Eiter” beruhigte uns der Doktor, “die Wundränder sehen gut aus, die Naht wird heilen und ist nicht entzündet, sie können beruhigt nach Hause fahren.”
Was für eine Erleichterung und große Freude, als wir diese Worte der Entwarnung vernahmen. Wir packten den Karton mit dem uns kostbaren Passagier wieder ins Auto und es ging heimwärts. Selbst Susi, die wieder herauslugte schien zufrieden und brachte das mit schnalzende Wohllauten zum Ausdruck. Nur noch ein paar Kilometer, ein letztes Telefonat und wir würden zu Hause sein.
Plötzlich machte die Gans sich mit einem lauten Schnattern so deutlich bemerkbar, dass ich zusammenzuckte und auch der Gesprächspartner mit dem Benno sich unterhielt, sie durch die Freisprechanlage hören konnte. “Oh, wie geht es der Gans?” fragte der Kollege, der von Benno über die besonderen Umstände der Überstunden informiert worden war.
Er amüsierte sich merklich: “Sie sind bestimmt als einzige am Kirchweihsonntag mit einer lebenden, geretteten Gans unterwegs und haben sie nicht auf dem Teller!"

Selfie zum Happy End










Thank you Astrid - as always reminiscing about the beautiful traditions of old; for sure the mighty goddess Juno will hold you in her favor.
Liebe Astrid, vielen Dank für den schönen Beitrag zum schönen Bayern, das dankenswerterweise auch heute noch im eigenen Land Jahrhunderte alte Traditionen leben kann und sie auch wie in der Glentleitn bewahrt und dokumentiert. Und Susi? Ich hoffe, es geht ihr gut. Es macht Sinn, manchmal mit Traditionen auch unkonventionell umzugehen 😊