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Zwei Fotos, eine Liebeserklärung


Zwei Fotos, ein Lächeln

Es ist inzwischen schon ein Topos, ein typischer Anfang, um einen Text einzuleiten, dass man in alten Alben gestöbert und Fotos zu Tage gefördert hat, die Erinnerungen an frühere Zeiten auslösen. Auch ich selbst habe auch schon wiederholt Kindheitsbilder herausgekramt und sie in den sozialen Medien gepostet; fotografische ”Dachbodenfunde”, die ihre Wirkung nie verfehlen.


Daran ist jedoch nichts klischeehaftes, vielmehr scheint eine lebendige Sehnsucht dahinter zu stecken, die uns verbindet. Bilder aus längst vergangenen Zeiten, aus Kindheit und Jugend, haben wir alle und sie sind interessant, weil sie viel über uns erzählen. Sie zeigen zunächst eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit. Doch wenn wir aufmerksam hinsehen, erkennen wir, dass diese nicht vorbei ist, sondern in die Gegenwart und wohl auch in die Zukunft hineinwirkt. Nostalgie allein reicht nicht, spannend wird es, wenn das Jetzt hinzu kommt, die Auswirkungen der gelebten Zeit auf unser Leben heute.


Diese Gedanken sollen anhand zweier Bilder im wahrsten Sinn des Wortes illustriert werden. Beim Aufräumen fand ich die Aufnahme, den einzigen Schnappschuss von mir auf dem Schoß meines Großvaters Anton Höckl. Denn in Rumänien wurde man normalerweise selbst in den 70er Jahren im Alltag kaum fotografiert. Schon gar nicht bunt! Farbfotos waren etwas Außergewöhnliches, die wenigen die ich habe, sind von meinem Onkel aufgenommen worden, der aus Deutschland jährlich in sein Elternhaus zu Besuch gekommen war.

Er hat im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt und damit eine Stimmung eingefangen, die es oft zwischen mir und meinem Großvater, den ich “Otti” nannte, gab. Da er, der vor meiner Geburt an der Temeswarer Sporthochschule tätig gewesen war, ein paar Jahre nach meiner Ankunft in der Familie rechtzeitig pensioniert worden war, verbrachten wir viel Zeit zusammen.


In dem Sessel neben dem Kachelofen im Wohnzimmer lernten wir das Einmaleins und lasen zusammen aus dem Westen mitgebrachte Western-Hefte und Comics. In der Backröhre des Ofens hatte meine Omi oft Kürbis gebraten, das ganze Haus duftete dann danach. Der Pulli und die Hose, die ich trug, sind mir unvergessen! Das flauschige, sogenannte Nicky-Shirt, war in den Farben braun-grün-orange, den Farben der 70er Jahre. Auch aus Deutschland wie die Hose, die ich gebraucht bekommen hatte. Unten war zur Verlängerung schon ein Band daran genäht.

Der Stuhl stammte aus Ottis Elternhaus in Perjamosch von seinem Vater, der dort Schuldirektor gewesen war. Ich lauschte in dem alten von uns damals “Fauteuil” genannten Sessel andächtig den Lausbubengeschichten aus Hopsenitz, in denen er von seinem strengen “Tatta” und der liebevollen “Mamma” erzählte. Wie die Geschichten wurden auch die Liebkosungen von Generation zu Generation weitergegeben. Mit dem Kuss auf den Haarwirbel und den geflüsterten Worte “édes kis angyalom” hatte wohl schon meine Urgroßmutter ihren Söhnen ihre Liebe gezeigt. Auch ich lernte diese ungarischen Koseworte in der frühen Kindheit, sie verbalisieren heute noch den Segen, den mein Großvater für mich bedeutet.

An diesem geborgenen Ort mit dem vertrauten Menschen zusammen zu sein, zauberte auf unsere Gesichter ein besonderes Strahlen, das tief aus der Seele kam und nichts mit der üblicherweise von Fotografen geäußerten Aufforderung “Bitte Lächeln” zu tun hatte.


Das berühmte Zitat von Jean Paul, wonach man mit einer glücklichen Kindheit ein halbes Leben lang in der kalten Welt haushalten kann, ist zutreffend.

Es kommen im Lauf des Lebens neue Menschen hinzu, die wichtig sind: Partner, Kinder, Freunde. Mit ihnen kann man auch in der zweiten Lebenshälfte Glücksmomente teilen. Sie zaubern immer noch das gleiche Lächeln auf mein Gesicht. Die schönen Stunden mit denjenigen, die uns lieb und teuer sind, gehören zum Wertvollsten, was unser Leben ausmacht.


Inzwischen habe ich selbst eine Enkeltochter. Noch ist sie klein, doch ich baue Stück für Stück eine innige Beziehung zu ihr auf. Der Verbindung zu den vorangegangenen Generationen nachspürend, möchte auch ich dieser Verantwortung gerecht werden.

Denn “Kleine Engel” profitieren ein Leben lang von den stabilen Bindungen, die sie als Kind erfahren haben.

Noch ist Ida klein, doch ich baue Stück für Stück eine innige Beziehung zu ihr auf

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