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Wintersport in Wolfsberg 1977

Ein Skilift namens "MiSRoNaMuBuRa"

An Stelle des falschen Frühlings streift der Winter über die Köpfe der Schneeglöckchen und macht die Hoffnung auf Wärme erst mal zunichte. Zeit, um sich an angenehmen Gedanken wie an einem prasselnden Kaminfeuer zu wärmen. Das Album mit den Wolfsberg-Fotos lag schon eine Weile parat und die Erinnerungen dazu regen sich beim Ansehen der Bilder auch.

Ich hatte das Glück, als Kind in den 70er Jahren Zeugin einer Initiative von Tüftlern geworden zu sein, die im Banater Bergland, in dem idyllischen Dörfchen Wolfsberg, den ersten Skilift gebaut haben.


Meine Eltern gehörten zu einer Clique von Temeswarern, die sich im Rahmen der Möglichkeiten für den Wintersport und vor allem für das Schifahren begeisterten. Die Anreise der befreundeten Familien erfolgte durch Fahrgemeinschaften, man zwängte sich mit einer Menge Gepäck in die Fahrzeuge derjenigen, die über die Autos jener Zeit hinter dem Eisernen Vorhang verfügten: Trabant, Skoda und Dacia. Im Bild meine Freundin Astrid "Tulli" Michels und ich vor der hoch bepackten "Rennsemmel" eines Temeswarer Freundes unserer Eltern.


Nach Weihnachten wurden die notwendigen Sachen gepackt: Eine Skiausrüstung, im Tausch aushilfsmäßig zusammengestellt, von den Müttern meist selbst gestrickte Pullis, Mützen und sogar Skihosen und handelsübliche Jacken und Anoraks, die lange bevor Gore-Tex erfunden wurde, nicht besonders wasserabweisend waren. Vor allem die Handschuhe ließen zu wünschen übrig, ich erinnere mich im Zusammenhang mit meinen ersten Schritten auf Skiern vor allem an dauerhaft eiskalte Hände.


Mein Vater Hans Roman gehörte zu einer Gruppe von Freunden, die damals die Initiative ergriffen, einen Skilift selbst zu bauen. Der leidige bis dahin notwendige Aufstieg auf den Hang, der sich irgendwo hinter den Wolfsberger Bauernhäusern befand, entfiel damit. Angetrieben wurde der Skilift von einem umgebauten alten Verbrennungsmotor. Vor allem der Temeswarer Ingenieur Hartwig Michels tüftelte lange daran, ihn dem neuen Verwendungszweck anzupassen. Nach den befreundeten Bastel-Ingenieuren, die an dem Projekt beteiligt waren, wurde er unter Verwendung der Initialen ihrer Familiennamen spaßeshalber "MiSRoNaMuBuRa" genannt. Die Abkürzungen standen für Michels, Schmidt, Roman, Nămăloiu, Munteanu, Buschinger, Rastädter. Im Bild der Motor des Schiliftes mit drei Pionieren des Wolfsberger Wintersports.


Die Menschen in Wolfsberg waren sehr gastfreundlich. Wir Städter bezogen unser Quartier in den alten Bauernstuben, die uns von den Einheimischen für ein geringes Entgelt bereitwillig überlassen wurden. Mitte der 70er Jahre entstand in der Dorfmitte ein Hotel mit einem Restaurant. Das erleichterte die Verpflegung der hungrigen Wintersportler und bot auch die Gelegenheit, dort Silvester zu feiern. Obligatorisch war am letzten Tag des Jahres aber auch der Besuch der Messe in der bis auf den letzten Platz besetzten Dorfkirche.

Im Bild mein Vater Hans Roman vor unserem Quartier im Jahr 1977/78 im letzten gemeinsamen Winterurlaub, bevor er Rumänien verließ.


Zurück zum selbstgebauten Skilift: Den Hang entlang waren auf einer Höhe von ca. 1 Meter dicke Drähte gespannt. Wir bekamen spezielle Haken, mit denen wir uns in die vom Motor betriebenen rotierenden Drähte einklinken konnten und an denen ein Seil samt kurzem Bügel hing, den man sich zwischen die Beine klemmen konnte. Im Prinzip funktionierte der Wolfsberger Lift wie ein heutiger Bügellift, nur dass man die Verbindung zu dem ziehenden Draht selbst herstellen musste. Das erforderte ein bisschen Übung, wurde aber selbst von uns Kindern schnell erlernt.


Seit damals war ich nie wieder in Wolfsberg. Wenn ich Ortskundigen von der Initiative unserer Eltern erzähle, wird immer wieder die Frage nach dem "Wo" gestellt. Welches war der Hang, an dem der Skilift damals aufgebaut worden war? Ich weiß nur noch, dass die Piste sorgfältig ausgewählt worden war und auch von den einheimischen Burschen, die sich zu uns gesellten, aufgesucht wurde. Vielleicht kann man den Ort anhand des Fotos identifizieren, das im Hintergrund die unberührte Gebirgslandschaft zeigt. Eines kann man sicher sagen: eine steile schwarze Piste war es sicher nicht!


Es gab auch einen schönen, flachen Abhang, wo ich auf Anleitung meiner Mutter meine Schwünge übte. Mama war die beste und einzige Skilehrerin, die ich je hatte. Sie fuhr nicht selbst, stand aber am Hang und leitete mich an, das Gewicht zu verlagern und die richtigen Bewegungen auszuführen. Sie brachte mir auch den Ruf für eine freie Bahn bei. Wir schrien auf rumänisch so laut wir konnten: Pîrtieee! Und das lediglich, weil es Spaß machte, denn wir hatten weit und breit genug Platz...


Von meiner Mutter lernte ich damals auch das Lied: "Wenn es schneit im Zillertal, freu'n die Leut' sich allemal". Wir saßen im Banater Bergland, träumten von Österreich, wussten aber nicht, dass wir Zeugen einer Zeit waren, die bald zu Ende gehen sollte. Eine kleine Auszeit noch, dann würden wir auf gepackten Koffern sitzen.

Nach der Ausreise in den Westen, die wir fast alle antreten sollten, eröffneten sich neue Möglichkeiten und riesige Skigebiete. Ich sollte schließlich auch im Zillertal Ski fahren, doch so viel Spaß und Freude wie in Wolfsberg hatte ich dort nicht mehr.


Astrid Roman als Skianfängerin 1973

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