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Dinner mit Dominic Fritz


Die Autorin in Gesellschaft zweier Temeswarer Bürgermeister

Im Temeswarer Kunstmuseum am Domplatz im Barockpalais fiel mir bei meinem Besuch am letzten Wochenende ein interessantes Gemälde auf. Ich war zum ersten Mal in dem prächtigen Gebäude, das zur Habsburgerzeit Sitz der Präfektur gewesen war. In der Sammlung europäischer Kunst, in der einige Porträts damals berühmter Persönlichkeiten hängen, blickte ich auf einmal in das Gesicht eines jungen Mannes. Neugierig wer mein Gegenüber war, las ich auf der dazugehörenden Beschriftung: Ignaz Koppauer, Bürgermeister von Temeswar. Der würdige blaue Rock mit Pelzbesatz und die im 18. Jhd. übliche graue Perücke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Koppauer offenbar in sehr jungen Jahren in Amt und Würden gekommen war.

Meine Gedanken schweiften plötzlich ab zum Vorabend, als ich auf dem ersten Präsenztreffen des deutschsprachigen Wirtschaftsclubs beim Abendessen eine ebenfalls blau gekleidete Temeswarer Persönlichkeit kennenlernen durfte.

Der deutschsprachige Wirtschaftsclub DWC ist ein gemeinnütziger Verein im Banat, in dem Wirtschaftsvertreter und Investoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert sind und der neben Wirtschaftsbeziehungen auch kulturelle und soziale Projekte in der Region unterstützt.

Nach einer Einführung durch den Vorsitzenden Peter Hochmuth hielt der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz einen Vortrag über die Planungen zur europäischen Kulturhauptstadt Temeswar 2023. Mit einer vergleichbaren jugendlichen Ausstrahlung, wie auf dem barocken Gemälde dargestellt, referierte das aktuelle Stadtoberhaupt über die Vorbereitungen im Hinblick auf dieses für die Stadt wichtige Jahr. Bürgermeister Fritz, der die Wirtschaftsvertreter schon am Anfang seiner eloquenten und frei gehaltenen Ausführungen darauf hinwies, dass die Nationalität für sein Amt keine Rolle spiele, begann mit den Schwierigkeiten im Vorfeld der Planungen wie z.B. dass der Kulturminister in Bukarest drei mal gewechselt habe und man immer wieder neu verhandeln musste.

Bevor er sich jedoch dazu äußerte, wie man diese Probleme beheben könne, kam er auf die aktuelle politische Situation zu sprechen. Der berühmte Elefant im Raum war an diesem ersten Tag nach dem Beginn der Auseinandersetzungen in der Ukraine natürlich der neue Krieg vor den Toren Rumäniens. Dominic Fritz berichtete von Kontaktaufnahme und Gesten der Solidarität mit der Partnerstadt Czernowitz in der Ukraine. Er versicherte, Temeswar sei bereit zu helfen und Flüchtende aus der Ukraine aufzunehmen. Seine Position dazu äußerte er klar und deutlich: Das sei keine Ukraine-Krise, sondern ein von Russland ausgehender Krieg.

Danach schilderte er, warum die Stadt, was die Planungen zur Kulturhauptstadt betrifft, auf einem guten Weg sei. Er stellte das Konzept vor, wonach die Temeswarer Kinos als Veranstaltungsorte für Theater, Konzerte, Bildungsveranstaltungen und Events nach gründlicher Sanierung wieder aufleben sollten. Zwei Drittel der Projekte für 2023 seien schon vergeben, für den Rest könne man sich noch bewerben. Das Beispiel der früheren Kulturhauptstadt Hermannstadt habe gezeigt, dass der Titel auch in den kommenden Jahren noch nachwirken könne. Das Jahr 2023 sei also wichtig, doch bedeutender noch sei der davon ausgehende Impuls, von dem die Stadt im Idealfall in den folgenden Jahren profitieren kann. Bürgermeister Fritz warb für ein Miteinander, forderte die Zuhörer zu einer Zusammenarbeit im Dienste Temeswars auf und präsentierte sich glaubwürdig als Teamplayer, der für Unterstützung jeglicher Art dankbar ist.

Ich mußte dabei auch an die Schwierigkeiten denken, mit denen Dominic Fritz seit seinem Amtsantritt zu kämpfen hatte. Immer wieder wurde von seinen Gegnern behauptet, dass er ein ortsfremder Deutscher sei. Dabei ist der heutige Bürgermeister schon lange in der Stadt. Er kam als 19-jähriger, um sich im Rahmen eines sozialen Projekts ehrenamtlich zu engagieren. In seinen Ausführungen zur Kulturhauptstadt erinnerte er im Zusammenhang mit den Kinos auch an die Zeit als er mit Kinderheim-Kindern Filmvorführungen besucht hat. Im Rahmen der Recherchen zu seinem Aufenthalt in den 2000er Jahren, stieß ich auf den Namen des Salvatorianer-Paters Berno Rupp. Der Name war mir von den Besuchen in meiner Geburtsstadt in den 90er Jahren ein Begriff. Schon damals war der Mann ein Mythos, weil er unter den Temeswarern lebte und sich um die Menschen kümmerte. Der gebürtige Schwabe und Ordensbruder war nach der Revolution nach Temeswar gekommen um zu helfen. Ich hörte von ihm zum ersten mal von meinem Nachbarn, der als Pfarrgemeinderat in Mehala mit Pater Berno zusammengearbeitet hatte. Er sprach von dem Mehalaer Priester wie von einer charismatischen Persönlichkeit, wenn nicht gar wie von einem Heiligen. In dem Waisenhaus, das Pater Berno gegründet hatte, sollte Dominic Fritz erstmals tätig werden.


Für mich schließt sich damit ein Kreis. Beim Treffen des Wirtschaftsclubs erlebte ich ein politisches Talent voller Charisma, jemanden der mit Zielstrebigkeit für seine Stadt kämpft. Sogar über die Belange der Stadtreinigung wusste Fritz bis in kleinste Details Bescheid und setzte den Zuhörern die von seinem Vorgänger hinterlassene Hypothek in Form von alten Verträgen auseinander.

Die Temeswarer Bürger erwarten, dass der nun schon nicht mehr so neue Bürgermeister liefert. Das volle Ausmaß der Altlasten mit denen Dominic Fritz konfrontiert ist, kennen jedoch die wenigsten. Während des Abends bekamen wir einen aufschlussreichen Einblick in die vielfältigen Zwänge, in denen er sich befindet.


Doch wie war das früher mit dem Bürgermeister mit dem deutschen Namen Ignaz Koppauer? Er, der Stadtoberhaupt zu einer Zeit war, als das Banat zum Habsburgerreich gehörte, hatte wohl einen leichteren Stand. Als Stadtoberhaupt von 1789 bis 1808, also über einen Zeitraum von fast 20 Jahren, verfügte er über genügend Zeit, um in Temeswar zu gestalten. Bekannt ist, dass in seiner Ägide das erste Theater der Stadt gegründet wurde. Ende des 18. Jahrhunderts, als die Bretter, die die Welt bedeuten, für die Kultur schlechthin standen, dürfte diese Leistung durchaus vergleichbar sein mit dem Management einer europäischen Kulturhauptstadt.


Nach der aufschlussreichen Erörterung ergab sich die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch mit dem kompetenten Referenten. Mein Banat-Tour Partner und Begleiter Hans Rothgerber erinnerte an den Besuch der Familie Fritz in der Billeder Heimatausstellung. Ich stellte Dominic Fritz unsere Banat-Tour Website und den Blog vor, in dem ich auch Beiträge zur Temeswarer Geschichte veröffentlicht habe. Unser Slogan "alte Heimat neu", beinhaltet auch einen Bezug zu Temeswar, meiner Geburtsstadt, für die wir uns im Rahmen der Veranstaltungen zur Kulturhauptstadt auch engagieren wollen. Wir bekamen von dem Temeswarer Bürgermeister Worte der Anerkennung, die so herzlich waren, dass sie erst recht zum weitermachen motivieren.


Während ich im Kunstmuseum vor dem Bildnis des Ignaz Koppauer stand und an den Abend mit dem deutschsprachigen Wirtschaftsclub dachte, wurde mir nochmal klar, dass die Nationalität oder die Ethnie in Temeswar tatsächlich eine untergeordnete Rolle spielte. Im Lauf der Geschichte gab es in der Banater Hauptstadt zugezogene Bewohner deutscher, ungarischer, rumänischer, slowakischer, serbischer, jüdischer und türkischer Herkunft. Aus ihren Reihen wurden die Bürgermeister gewählt. Fremd ist in Temeswar nur der, der die multiethnische Tradition der Stadt nicht versteht.


Im Gespräch mit Dominik Fritz beim Treffen des DWC im Temeswarer Lido-Hotel

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