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AutorenbildHans Rothgerber

Die Vogelperspektive, der Traum vom Fliegen


In meiner Jugendzeit trĂ€umte auch ich vom Fliegen. BeflĂŒgelt durch Kinofilme flog ich im ehemaligen Billeder “Groß’ Werthaus”, heute Kulturheim, von der BĂŒhne aus mit großen GĂ€nseflĂŒgeln ĂŒber eine mich bestaunende Gesellschaft. Nur der Stopp vor der gegenĂŒber liegenden Wand gelang mir nicht, meistens wurde ich dabei wach. Fliegen ist dann spektakulĂ€r, wenn man unter sich die Landschaft sieht. Die Vögel können das, daher auch der Name Vogelperspektive.


Im Billed der 80er Jahre fotografierte ich hauptsĂ€chlich aus der Normalperspektive, stehend, das Auge am Sucher. Manchmal noch aus der Froschperspektive, der Name sagt wie das aussieht. Ein bißchen Vogelperspektive ging aus dem Giebelloch oder vom Hambar (Scheune). Im Kommunismus war das fast schon Spionage. Als ich einmal die Billeder Hanffabrik von der Strassenseite, also von öffentlichem GelĂ€nde aus, aufnahm, bekam ich Ärger. Der Pförtner hatte mich gesehen und sofort Alarm geschlagen. Dringlich zum BĂŒrgermeister bestellt mußte ich mich rechtfertigen und einwilligen, sowas nicht wieder ohne Genehmigung zu machen. (“să nu mai faci așa ceva fără să Ăźntrebi, măi”)


Zehn Jahre spĂ€ter war die Welt auch in Billed vom Kopf auf wackelige Beine gestellt. FĂŒr ein Video ĂŒber die Geschichte der Gemeinde konnten wir 1993 einen Hubschrauber buchen. Der Flug vom Nutzflughafen „Cioca“ vor Temeswar an der Torontaler Landstraße wurde fĂŒr mich Erstflieger zum Abenteuer. Schon als ich den Sicherheitsgurt anlegen wollte, winkte der Pilot ab: “Lass das, der ist eh kaputt.” HĂ€tte ich auch noch den Krach und die Vibrationen vorausgesehen, ich hĂ€tte es mir vielleicht anders ĂŒberlegt. Meine beiden Kollegen Hans Herbst und Michael Rath aber, mit ihren Kameras im Anschlag, strahlten Zuversicht aus. Im schaukelnden Copter, mit viel Angst im Nacken, entschĂ€digte immerhin die echte Vogelperspektive. GefĂ€hrlich wurde es beim Filmen, denn die Fenster waren zu hoch, schmutzig und spiegelten. Daher mußte die SchiebetĂŒr einen guten Spalt geöffnet werden. Im kalten Luftzug hielt ich den Atem an, als ich mich nur mit Schulter und Beinen in der Schieflage der Kurven abstĂŒtzte. Dabei rollten auch einige Cola-Flaschen von Bord, die der Pilot nachher vermissen wird.


Mit den Aufnahmen im Kasten machten wir uns nach der Landung sofort auf den Weg nach Deutschland. Den tiefen Rundflug ĂŒber Billed haben auch die Dorfbewohner unmittelbar mitbekommen. BeschĂ€ftigte in der ehemaligen Kollektivwirtschaft z.B. bekamen Panik, sie vermuteten einen Inspektionsflug des neuen Patrons. Die Tiere auf den Höfen hatten ein Problem mit dem großen Vogel. Kurz darauf kamen auch Angehörige der Nachfolgeorganisation der Securitate in die Gemeinde, um die Sachlage zu klĂ€ren. Es gab also auch damals noch genug Pförtner, die Meldung machten.


So entstanden die ersten Farbaufnahmen von Billed aus der Vogelperspektive. Sie sind auch heute interessant, da sich inzwischen viel geÀndert hat. Auch die oben erwÀhnte Hanffabrik gibt es nicht mehr, sie ist wie vom Erdboden verschluckt, sie ist Geschichte.




Katharina Eismann hat dem Beitrag ein Gedicht gewidmet 🠕



mit den GĂ€nseflĂŒgeln

aufgestiegen


aus dem Giebelloch

ein bisschen Perspektive

ausspioniert

mit HambartrÀumen

durch die LĂŒfte gesegelt

die Securitate im Radar


.


Im Federflug


1000 km Luftlinie bis zum Kiosk

in den Hubschrauber gestiegen

Sicherheitsgurt kaputt


aus verdreckten Fensterscheiben

einen Spalt

Kindheit eingefangen

Tiere & Wiese aufgeschreckt

das Dorf steht Kopf

der Securitate-Pförtner

immer noch da


die Hanffabrik vom Erdboden

verschluckt

den Diwan, in der Stube

hat es nicht erwischt


Seidenkilometer


🠕 S.K. Eismann


2 comentarios


hans.herbst
hans.herbst
12 ago 2021

Eine hĂŒbsche ErzĂ€hlung mit wahnsinnigen Erinnerungen fĂŒr mich. Sie liegt nun bereits 28 Jahre zurĂŒck und die Zeit rund um die Dreharbeiten zum Film „Denkmal fĂŒr Billed“ war in jeder Hinsicht ebenso schön, wie erfahrend und spannend.

Man sagt, je Ă€lter wir werden, desto mehr speichern wir in unserem inneren Tagebuch. Was davon im GedĂ€chtnis bleibt und was wir bald vergessen, entscheiden unsere GefĂŒhle.


Diese fĂŒr die damalige Zeit einmalige Aktion, ist in meinen Gedanken noch so prĂ€sent, als hĂ€tte sie erst Vorgestern stattgefunden.

Ich glaube es war seit dem 2. WK. und dem Einsatz der Agrar-Streuflugzeugen, der erste und wirkliche Tiefflug ĂŒber Billed.


An eine Sache kann ich mich auch noch ganz genau erinnern; beim Einsteigen in den



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werner.gilde
30 jul 2021

Hallo Hans,

ein sehr gelungener Bericht , aber auch der Film " Denkmal fĂŒr Billed" den du mit dem Team gemacht hast ist spitze. Danke!

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