Auftakt zum 26. Billeder Heimattag 2025
- Astrid Ziegler
- 8. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Ansprache von Astrid Ziegler am Billeder Denkmal auf dem Karlsruher Hauptfriedhof → Video der Ansprache
Lieber Werner Gilde, lieber Vorstand der Heimatgemeinschaft, liebe Billeder,
Dass ich hier heute eine Rede zum Auftakt des Billeder Heimattages halten darf, ist eine Ehre und Freude zugleich.
In Stein gemeißelt sind uns die identitätsstiftenden Ereignisse der Heimatgemeinschaft der Billeder vor Augen geführt. Dargestellt ist zum Beispiel die Ansiedlung der ersten Einwanderer vor nunmehr 260 Jahren, aus der Pfalz, aus Baden, aus Hessen, aus Württemberg, dem Rheinland, dem Sauerland, aus Luxemburg und Lothringen, die Urbarmachung und Bearbeitung des Bodens, der unter dem Pflug der deutschen Siedler zu schwarzem fruchtbarem Ackerland wurde. Dargestellt auf dem Denkmal sind auch Gräber, die für die hohen Verluste unter der Bevölkerung durch Krankheit, Krieg und Deportation stehen. Prüfungen der Leute, Unterdrückung und Unfreiheit sind darauf genauso dargestellt wie der Glauben und die Zeiten des Wohlstands und Wohlergehens in dem Heidedorf, das als Musterdorf Kaiserin Maria Theresias galt.
Doch betrifft mich die Botschaft des Steines überhaupt, gehöre ich in die Heimatgemeinschaft, darf ich heute mit Fug und Recht vor ihnen sprechen? Immerhin habe ich nie in Billed gelebt, sondern nur manche Sonntage und Ferien bei den Großeltern verbracht, als Elfjährige verließ ich schon das Banat Richtung München.
Ich kramte also die Unterlagen heraus, die mein Vater Hans Roman aus seinem Billeder Elternhaus aufbewahrt hat, um anhand der Stammbäume ein bisschen Ahnenforschung zu betreiben. Es war berührend, das linierte Blatt in den Händen zu halten, auf das mein Billeder Urgroßvater Johann Pierre, der Heimat- und Familienforschungen betrieben hatte, per Hand seinen Stammbaum gezeichnet hat. Daraus geht hervor, dass meine Ahnen väterlicherseits acht Generationen weit bis zur Einwanderung nach Billed zurückreichen.
Meine Vorfahrin Elisabeth Pierre, die Witwe eines Dominikus, landete im Jahr 1766 aus ihrem Herkunftsort Saarburg im Trierer Land in dem neu gegründeten Dorf Billed, dabei hatte sie ihren kleinen Sohn Johann, der damals 4 Jahre alt war. Die Mutter bezahlte wie so viele Einwanderer der ersten Generation, den Mut und die Risikobereitschaft ein neues Leben im südöstlichsten Zipfel des Reiches, das damals das Heilige Römische Reich deutscher Nation war, zu beginnen mit dem Leben, denn schon sechs Jahre später war sie tot.
Doch ihr kleiner Junge sollte Leben und der Ahnherr einer Familie werden, die über 7 Generationen in jeder Generation einen Johann Pierre hervorgebracht hat. Wie auf dem Stein dargestellt, blieb auch meiner Familie keine Prüfung erspart. Die ersten Ahnen starben jung, zu entbehrungsreich war das Leben als Ansiedler, zu tückisch die Seuchen im ungesund sumpfigen Klima. Doch auch zum Wohlstand gelangt, gab es Schicksalsschläge. Mein Urgroßvater Johann Pierre, der sechste seines Namens, starb in der Bărăgandeportation. Sein Sohn Hans Pierre, mein Großonkel, der letzte seines Namens, fiel im Zweiten Weltkrieg bei Narwa. Es gibt kein Grab, kein Kreuz, keinen Stein, an dem man ihrer gedenken kann, weder im Bărăgan, noch in Russland.
Damit sie und die anderen Toten der Weltkriege und der Verschleppung nicht vergessen werden, befindet sich an der Billeder Kirche ein Gedenkstein, der auf Initiative von Peter Krier für die Opfer von Krieg und Deportation aufgestellt wurde und das Billeder Denkmal, vor dem wir gerade stehen.
Doch nicht nur die Ahnen verbinden mich mit Billed, sondern auch die vielen schönen Erinnerungen an das Elternhaus meines Vaters, in dem meine Großmutter, von vielen ehemaligen Zöglingen als Kindergärtnerin “Mitzi Tante” bekannt und mein Großvater, den Billedern als Roman Bácsi in Erinnerung, oft sonntags auf uns warteten. Mit Billed bringe ich Krumbirn-Zucker, Sodawasser, Holundersirup (bodzabor genannt) Pipatschen, Fliederbüsche, Gänsefedern auf der Straße, Hühner im Hof, Kukrutzpuppen in Verbindung. Und natürlich das Kino, Mozi genannt in das ich mit meinem Onkel Franzi nachmittags zum Film gehen durfte.
Dass ich zu einem guten Teil Billederin bin, wurde mir vor kurzem auch in dem Artikel über Hans Rothgerbers Fotoausstellung von Chefredakteur Siegfried Thiel bescheinigt. Dort werde ich als Banater Schwäbin mit Billeder Wurzeln bezeichnet, ein schönes Kompliment.
Das Billeder Denkmal wurde am 7. Juni 1987, also auf den Tag genau vor 38 Jahren aufgestellt, zu einer Zeit, die als Symbol darauf abgebildet ist. Der Stacheldraht in der rechten unteren Ecke als Zeichen der Unterdrückung und Unfreiheit meint auch die kommunistische Diktatur, die zu der Zeit, als das Denkmal errichtet wurde, mit ihrer Mangelwirtschaft einen traurigen Höhepunkt erreicht hatte. Und doch neigte sie sich ihrem Ende zu, was damals freilich niemand ahnen konnte.
Die Macher des Billeder Denkmals, das für das Werden, Sein, Vergehen der deutschen Gemeinde Billed steht, konnten die Entwicklung ihrer Heimatgemeinde damals nicht voraussehen. Sonst hätten sie vielleicht Platz gelassen für ein weiteres Symbol. Wir haben es erlebt, dass die Billeder, auch die noch dort verbliebenen Deutschen, nach dem Ende des Kommunismus wieder zu Freiheit und Wohlstand gelangt sind.
Er führt kein Weg zurück in das Dorf unserer Kindheit und Jugend, denn natürlich hat Billed sich verändert, so wie kein Ort gleich bleibt, weil die Gesellschaft sich verändert, und auch kein Mensch gleich bleibt da wir uns weiter entwickeln. Doch die Billeder Heimatgemeinschaft hat gemeinsam mit den in Billed verbliebenen Schwaben im dortigen deutschen Forum und im Heimathaus eine stabile Basis. Es ist ein Ort, an den man gerne als Gast zurückkehrt. Als meine Tochter Victoria vor zwei Jahren Vortänzerin bei der Billeder Kerweih war, wurde sie im Heimathaus abgeholt. Dort wurden auch die Kerweihgäste bewirtet in der bekannten gastfreundlichen Atmosphäre, die auch schon zahlreiche prominente Gäste genossen und gelobt haben.
Das Heimathaus als Bindeglied zwischen ausgewanderten und in Billed gebliebenen Deutschen, würde, wenn noch Platz wäre, auch verdienen, auf dem Stein verewigt zu werden. Es stellt einen Brückenschlag dar zwischen unserer zweiten Heimat der Bundesrepublik, dem Land in dem wir leben, und der ersten Heimat im Banat, die uns so lange wir leben beschäftigen wird. Vielleicht ist ja irgendwo auf dem Denkmal noch Platz für eine Brücke….sonst denken wir uns einfach eine imaginäre Brücke dazu. Eine, die hoffentlich nach beiden Seiten immer passierbar bleibt.
Einige von uns werden sie heuer im August überschreiten und nach Billed fahren, um das Gründungsfest der Gemeinde zu feiern.
Auch der heutige Heimattag stellt eine Verbindung zum Heimatort Billed her und hat Brückenfunktion. So lasst uns gemeinsam über diese Brücke schreiten und als Heimatgemeinschaft, deren Teil zu sein mich mit Freude erfüllt, einen schönen, segensreichen, fröhlichen Heimattag begehen.

Gruppenbild am Billeder Denkmal auf dem Karlsruher Hauptfriedhof
Sehr berührend. Danke.
Edith