Wein im Arader Land
- Astrid Ziegler
- 26. Juni
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juni
Zur wechselvollen Geschichte des Weinbaus an den Ausläufern des Zarand-Gebirges/Munții Zarandului
Der Vortrag wurde beim Städteseminar “Lippa und das Arader Land”, vom 4.-6. April 2025 in der Bildungs- und Begegnungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen, und am Freitag, dem 6. Juni, in Nürnberg, auf Einladung des Vereins “Integro Mittelfranken” in Nürnberg, mit anschließender Weinkostprobe, gehalten.

Wein, da sind sich Menschen und übrigens nicht nur Weintrinker seit Jahrtausenden einig, ist mehr als ein alkoholisches Getränk aus dem vergorenen Saft der Weinbeeren. Es ist nicht nur so, dass der, der ohne Wein ist, vergeblich an der Musen Pforte klopft, wie schon Aristoteles feststellte. Zur Zeit der antiken Dichter und Denker war der vergorene Rebensaft Gegenstand von religiöser Verehrung und Sinnbild von Kultur. Nicht zufällig wird Dionysos, der Gott des Weines auch als Theatergott verehrt.

Nicht mehr von den Göttern gesandt, doch immer noch ein altes Kulturprodukt ist der Wein heute. Auch im Hinterland der westrumänischen Stadt Arad, nördlich der Marosch, an der Stelle an der die Tiefebene auf die Vorläufer der Westkarpaten, die munții Zarândului stößt, ist über Jahrhunderte um nicht zu sagen Jahrtausende eine einzigartige Landschaft entstanden.
Schon das Mikroklima der Region, das durch das Maroschtal beeinflusst ist und durch die Südwestlage der Hänge, mit Vulkangestein begünstigt den Weinbau außerordentlich. Hinzu kommen für die Reifung der Trauben geeignete Faktoren, die aus der geografischen Lage resultieren. Auf dem 46. nördlichen Breitengrad vergleichbar dem Burgund in Frankreich gelegen, bietet das ca. 50 km lange und 1-4 km breite Gebiet nahe Arad die ausgedehnte Vegetationsperiode und intensive Sonneneinstrahlung, die nötig sind, um sowohl gehaltvolle Rotweine als auch elegante Weißweine hervorzubringen.

Durch den Weinbau, der durch archäologische Zeugnisse schon seit der Anwesenheit der Römer in der Gegend belegt ist und urkundlich seit der Zeit König Stephans I. von Ungarn vor genau tausend Jahren, ist ein besonderes Gefüge von Geografie und Kultur entstanden, das heute Teil des immateriellen und materiellen Erbes dieser Region ist.
Der Vortrag zum Thema Wein im Arader Land gibt an der Schnittstelle zwischen Geschichtswissenschaft und Touristik einen Überblick über die konstante Bedeutung des Kulturguts Wein für die Region, zeigt aber auch die Widrigkeiten auf, mit denen sich der Weinbau durch die Jahrhunderte konfrontiert sah. Die Geschichte des Weinbaus im Arader Land ist vielfältig mit der Geschichte der im Südosten Europas gelegenen Region an der Marosch verknüpft, die zum mittelalterlichen Königreich Ungarn, zeitweise zum osmanischen Reich, der Habsburgermonarchie und seit dem Ende des Ersten Weltkriegs zu Rumänien gehört.

In der Vita des Heiligen Gerhard, der vor fast 1000 Jahren durch König Stephan I. zum ersten Bischof des neu gegründeten Bistums Tschanád (heute Cenad) erhoben wurde, sind Weingärten nördlich und südlich der Marosch erwähnt. Dort wird auch erwähnt, dass die besten Weine aus der von einem Herrscher namens Achtwin eroberten Region in den Kellern des Bistums landeten, wo sie mit Eus aus der Marosch gekühlt möglichst lang haltbar gemacht wurden.
Mit dem Sieg über Achtwin war dessen an der Marosch gelegene Herrschaftsgebiet in den Machtbereich des aufstrebenden ersten christlichen Königs von Ungarn übergegangen, der sein Reich durch die Kirchenpolitik konsolidierte. So verwundert es nicht, dass die erste Urkunde, in der Weinberge auf den Hügeln der heutigen Munții Zarândului erwähnt werden, im Zusammenhang mit der Kirchenpolitik zu sehen ist. Königin Gisela, die aus Bayern stammende Gemahlin König Stephans I., schenkte der in Westungarn gelegenen Abtei von Bákonybél im Jahr 1038 acht auf dem Hügel Makra gelegene Weingärten.
Auch im zwölften Jahrhundert belegen Urkunden wichtige Besitzungen der katholischen Kirche in der Gegend. In einer auf das Jahr 1169 datierten Urkunde werden im Zusammenhang mit dem neben Oradea (deutsch Großwardein, ungarisch Nagyvárad) gelegenen Klosters Sâniob (ung. Szentjobb), Weingärten, Weinbauern und auch schon drei Häuser mit Weinkellern erwähnt. Eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1203 zeigt, dass die Basilika des Heiligen Martin in Orod 53 Weinberge mit 102 Weinbauern in der Region besaß.


Im von einem Mönch namens Rogerius (*1205 +1266) verfassten “Carmen miserabile super destructione Regnii Hungariae”, das eine wichtige Quelle über die mongolische Invasion ist, wird über die Grausamkeit der Mongolen geklagt. Roger, dem es gelungen war zu fliehen, berichtet, dass die Einwohner der Region um Lippa nur so lange am Leben gelassen wurden, um die Traubenernte einzubringen.

Die Mongoleneinfälle stellen einen wichtigen Einschnitt in der mittelalterlichen Geschichte dar. Nach dem Abzug der Invasoren wurden die Höhenburgen Şiria/Hellburg und Şoimoş/Falkenstein, die heute noch als Ruinen die Kulturlandschaft prägen, befestigt und wichtigen Adelshäusern zur Landesverteidigung übertragen. Es kommt zu einem neuen Aufschwung des Weinbaus und auch der damit beschäftigten Ortschaften in der Region.
Im 13. Jahrhundert werden das heutige Covăsânț, Miniş, Paulisch, Pâncota, Măderat, Ghioroc urkundlich erwähnt und damit die Gemeinden an der heutigen Weinstraße. Die Dörfer sind damals im Besitz von Klöstern (z.B. Cladova) oder von adeligen Landesherren wie zum Beispiel János und Matthias Hunyadi oder Stefan Báthory, die kontinuierlich für die Ausweitung der mit Reben bepflanzten Flächen sorgen.
Über den Wein spiegeln sich Ereignisse der europäischen Geschichte auch im Register der Abrechnungen der Burg Şoimoş wieder. Im Jahr 1514 fällt auf, dass die Ernte mit nur 31 Fass schwach war, wohingegen vorher, in guten Jahren, 70, 80, 90 oder sogar mehr Fass erreicht wurden. Sucht man nach Gründen für die Missernte, wird man im Jahr 1514 mit dem Aufstand um Gheorghe Dozsá fündig. Der Weinbau hatte offenbar unter dem Bauernaufstand, im Zuge dessen auch die Burgen Şoimoş und Lippa erobert wurden, zu leiden.

Der mit zehntausenden von Toten grausam niedergeschlagene Aufstand wirkte wie ein gewaltiger Aderlass für das christliche Königreich Ungarn, das zu großen Teilen Mitte des 16. Jahrhunderts von den Osmanen erobert wurde. Betrachtet man die Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, fällt auf, dass gerade die Gegend um Lippa wie ein Spielball zwischen öfter wechselnder christlicher und türkischer Herrschaft wirkt. Das hatte natürlich auch starke Auswirkungen auf den Weinbau.
Viele Orte der Region, die zum Sandschak Lippa, der dem Pascha von Temeswar unterstellt war, gehörten, wurden zu der Zeit entvölkert und zerstört. Der Wein als Christengetränk verlor an Bedeutung während der muslimischen Osmanenherrschaft in der der Genuss von Alkohol offiziell nicht erlaubt war. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwähnt der türkische Reisende Evliya Celebi, als er von Temeswar nach Großwardein fuhr, dass es immerhin noch die Weingärten von Lippa gab und berichtete auch von Weinbau und Weingenuss in Ineu. Ganz zum Erliegen scheint die Produktion des Weines also nicht gekommen zu sein.

Eine neue Ära begann für das Arader Land mit der Eroberung durch die Habsburger, deren Herrschaft über das Gebiet nördlich der Marosch schon mit dem Frieden von Karlowitz 1699 besiegelt wurde. Das Banat südlich der Marosch wurde dem Habsburgerreich nach der Eroberung Temeswars im Jahr 1716 als Kronland einverleibt. Das Land wurde nach der Eroberung vermessen, neue Steuern wurden erhoben und neue Maßeinheiten eingeführt. In den sorgfältigen und umfangreichen Aufzeichnungen der Habsburger-Verwaltung finden sich wertvolle Hinweise auf die Anzahl der Einwohner, auf Flächengröße und Bodennutzung. So tauchen nur wenige mit Reben bepflanzte Grundstücke in den Ortschaften Şiria/Világos/Hellburg, Măderat und Mâsca auf. In Şiria finden sich zu der Zeit als Besitzer von Weingärten zahlreiche serbische Militärangehörige, die nach der Eroberung des Gebiets angesiedelt und mit der Sicherung der Militärgrenze um die Marosch betraut worden waren. In den Steuerlisten wird in Zusammenhang mit den Weingärten die Maßeinheit Tagwerk (rum. sapa = 4 ar) verwendet und bezeichnet die Fläche, die eine Person an einem Tag bearbeiten konnte.
Die Ortschaften des Weinbaugebietes um Arad gehen in den Besitz einiger mit dem Hof in Wien verbündeten und den Habsburgern ergebenden adligen Großgrundbesitzern über, die sich der Entwicklung des Weinbaus widmen. Ziel der neuen Herren war es, Qualitätsweine zu keltern, die mit den anderen Weinen im Kaiserreich mithalten konnten und sich auf
Absatzmärkten im Westen verkaufen ließen.

Große Teile des Arader Grundbesitzes gingen 1726 an Rinaldo, den Herzog von Modena, den Neffen der Kaiserin Maria Theresia, der zeitweilig über die enorme Fläche von 600.000 Joch (1 Joch ist 0,57 ha) Boden in den eroberten Gebieten verfügte. Nach ihm kamen andere Günstlinge zum Zug, wie zum Beispiel Baron Sigismund von Edelspach, der schon 1715 die Ortschaft Ghioroc erworben hatte. Aus dem Urbarium (Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und Abgabenregister bzw. Steuerliste) des Jahres 1771 geht hervor, dass in 20 Jahren die mit Reben bepflanzten Flächen um ein Vierfaches angestiegen sind, während die mit dem Weinbau beschäftigten Personen dreimal so zahlreich waren.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kamen im Zuge der Besiedlung des Banats in einer neuen Einwanderungswelle aus dem Westen des Habsburgerreiches deutschsprachige Siedler auch in die Arader Gegend nördlich und südlich der Marosch. Für sie wurden neue Ortschaften gegründet oder in schon bestehenden Gemeinden Platz geschaffen. Die Koordination des großen Ansiedlungsprojekts zwischen 1763 und 1772, das als zweiter großer Schwabenzug bezeichnet wird, gestaltete sich für die Behörden schwierig. Ab dem Jahr 1770, das für weite Teile Mittel- und Westeuropas aufgrund von Hungersnöten ein Krisenjahr war, kam ein noch nie da gewesener Menschenstrom ins Banat und durchkreuzte die Planungen der Behörden. Da es an fertigen Häusern mangelte, wurden viele Neuankömmlinge bei schon niedergelassenen Ansiedlern einquartiert, es kam zum Ausbruch von Krankheiten, Seuchen und zu einer hohen Sterberate unter den Einwanderern. Viele Einwanderer wurden in der Region um Arad angesiedelt, die nördlich der Marosch geografisch nicht mehr zum Banat gehört, in der es aber ausgedehnte Kameralgüter und kooperationsbereite Adelige gab.
Und so tauchen beispielsweise im Gyoroker Pfarrarchiv in dieser Zeit neue Namen auf, die auch heute noch von aus Paulisch stammenden Landsleuten geführt werden: Bondan, Brost, Doni, Düran, Eich, Hack, Heuberger, Holzer, Ihm, Köpf, Lutsch, Müller, Reingruber, Reiter, Schmidt, Turtschany, Urban, Wegmann, Wolf. Auch die Herkunftsregionen der Siedler sind dort manchmal angegeben. Anhand dieser Quelle ist belegt, dass zum Beispiel die Familien Bondan, Doni, Düran (Duran), Mayet aus Elsaß-Lothringen stammen, die Reingruber, Heuberger, Holzer aus der Pfalz, die Familien Bader, Borscht, Maxa, Schmidt aus Österreich und die Bistritzkis und Simitscheks aus Böhmen.
Viele der neuen Siedler kamen aus Gebieten, aus denen sie Kenntnisse im Weinbau mitbrachten.

Im Lauf des 19. Jahrhunderts kam es im Arader Weinbaugebiet zu einem außerordentlichen Aufschwung. Die mit Reben bepflanzte Fläche stieg von 5165 Hektar in 1832 auf 5443 Hektar 1872 und schließlich auf 6540 im Jahr 1880. Als autohtone, also regionale Sorten, wurden zum Beispiel der Weißwein “Mustoasa de Măderat” und der Rotwein “Cadarca” gekeltert.
Im Jahr 1877 gab es eine international beachtete Weinmesse in Arad, die Arader Weine bekamen Medaillen in London, Paris und Wien. Die örtlichen Winzer erschlossen neue Märkte in ganz Europa. Im Arader Weinbaugebiet werden zu der Zeit Weißweine in Măderat/Maderat, Mocrea, Pâncota/Pankota, Mișca/Tőzmiske, Galşa/Galsa/Galscha, Şiria/Villágos/Hellburg, Cuvin/Aradkövi/Kuvin, Covăsânț/Kovaszinc und Ghioroc/Gjorok/Gyorok gekeltert, während im südlichen Bereich der Region in Miniş/Ménes/Minisch, Cuvin, Ghioroc und Păuliş/Ópálos/Paulisch auch Rotweine produziert werden. Außerdem gab es auch schon Riesling-Dessertweine in der Region.

Der Aufschwung fand nicht ohne Rückschläge statt, die verdeutlichen, wie sehr Erfolg im Weinbau auch von klimatischen Faktoren abhängt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist eine Kälteperiode auszumachen. 1865 zerstörte Rauhreif vom 19.-21. April die neuen Triebe. 1866 gab es Frost im Monat Mai, 1872 vernichtete Rauhreif am 12. Mai und Regen zur Reifezeit die Ernte bis auf ein Viertel des Vorjahres. Auch die Jahre 1874 und 1875 brachten schlechten Ertrag durch späten Frost. 1882 sollte Hagel die Austriebe zerstören.

Doch all das war nichts im Vergleich zu der Katastrophe, die sich zu der Zeit im ausgehenden 19. Jahrhundert in Westeuropa schon abzeichnete und die bald auch über das Arader Weinbaugebiet hereinbrechen sollte: Im Jahr 1883 tauchte auch in Şiria/Villágos/Hellburg die berüchtigte Reblaus auf und vernichtete auf einen Schlag 115 Joch Weinberg. Schon einige Jahr später breitete sich der Schädling über alle Weinbauorte aus, wobei die größten Schäden in Miniş und Paulisch zu verzeichnen waren.
Die Reblaus war schon im Jahr 1863 durch Reben, die durch Dampfschiffe aus den Vereinigten Staaten nach Europa transportiert wurden, eingeschleppt worden. Die Laus, die die Pflanzen an den Wurzelstöcken angriff und aussaugte, hatte die Weingärten Frankreichs und Italiens befallen, bevor sie über Ungarn auch in den Osten Europas kam.
Die ganze Weinbaubranche des Kontinents war rat- und hilflos. Verschiedene Insektizide erwiesen sich als nutzlos, bis schließlich in Frankreich vom Weinbergbesitzer und Börsenmakler Gaston Bazille die Technik des Veredelns entdeckt wurde. Daraufhin wurden europäische Edelreben auf reblausresistente amerikanische Wurzelstöcke aufgepfropft und somit eine Pflanze geschaffen, der der Schädling nichts mehr anhaben konnte. In Folge dieser neuen Technik entstand in Miniş eine Weinbauschule, in der angehenden Winzern dieses Wissen über die Veredelung beigebracht wurde.
Um diese für das Überleben der Weinreben und des Weinbaus so wichtige Errungenschaft zu illustrieren, sind an dieser Stelle alte Fotos zur Kultivierung und Pflege der Reben mit Bildern aus dem Weinbaugebiet eingeschoben. Die Paulischer Schwaben beschäftigten sich nämlich in den sechziger und siebziger Jahren sehr intensiv mit der Technik des Veredelns.





Durch die wichtige Errungenschaft des Veredelns, staatliche Subventionen und unternehmerische Anstrengungen wurden die Weinberge der Arader Berge mit resistenten Rebsorten neu bepflanzt. Anfang des 20. Jahrhunderts kam man auf einen neuen Flächenrekord von 7.000 Hektar Weingärten. Es war eine Zeit des Aufschwungs, in der auch neue Sorten eingeführt wurden, die, an die klimatischen Bedingungen angepasst, bis heute kultiviert werden, wie zum Beispiel Merlot, Pinot Noir und Cabernet Sauvignon. Die Eigentümer großer Flächen, die Herren des Weines hatten oft am Hang zwischen den Reben Landhäuser, wo sie ihre Wochenenden verbrachten. So gab es zum Beispiel die “Villa Ispravnic” in Miniş oder Villa Lujza und Villa Marghit in Paulisch.

Im Jahr 1906 ging im Arader Weinbaugebiet eine ganz besondere elektrische Schmalspurbahn in Betrieb, die die Ortschaften der Weinstraße mit Arad verband. Die von den Deutschen “Mottor” und von den Rumänen “săgeata verde” genannte idyllische Bahn, wurde ursprünglich von der Aktiengesellschaft "Arad-Hagyalyai-Motorostott-Vasút-Reszventársaság (Motoreisenbahngesellschaft der Arader Weinstraße) betrieben und fuhr bis 1991 zwischen Pankota und Radna an der Hügelkette der Zarander Berge entlang und bis nach Arad. In Arad hatte sie auf der heutigen Piața Podgoria Aradului einen eigenen Bahnhof. Zwar führte sie über weite Strecken parallel zur Eisenbahnstrecke Arad-Alba-Iulia, fuhr aber direkt durch die Dörfer und erschloss diese besser. Der Motor hatte auch Lastenwagons, die landwirtschaftliche Erzeugnisse auf die regionalen Märkte brachten und auch Trauben transportierten.
Der Wein der Arader Weinberge wurde in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bis nach Budapest und Wien transportiert, und als Champagner in Holland, der Schweiz und Skandinavien gehandelt. Der Weinbau im Arader Land hat damals seinen Zenit erreicht.

Mit dem Ersten Weltkrieg begann der Niedergang. Nach dem Krieg und dem Anschluss der Region um Arad an Rumänien entstand durch die Agrarreform von 1921 eine neue Realität. Die Enteignung und Auflösung der großen Güter zu Gunsten kleinerer Einheiten hatte zur Folge, dass die alten vorwiegend ungarischen Großgrundbesitzer das Land verließen. Zwar schien der Zusammenschluss der neuen Besitzer zu einer Winzergemeinschaft, die zum Zweck hatte, Produktion zu einem günstigen Preis zu ermöglichen, vorteilhaft zu sein. Doch bald stellte sich heraus, dass mit der alten Ordnung auch die Märkte und Transportwege weggebrochen waren.
Die neue Hauptstadt Bukarest war weit weg, der Zentralismus wirkte sich negativ aus für die am westlichsten Rand des neuen Staates gelegene Region. Im Jahr 1929 kam die Weltwirtschaftskrise als zusätzliches Problem hinzu. Die Bearbeitung der Weingärten war nicht mehr rentabel, viele Flächen lagen brach. Die Krise wirkte bis in die 30er Jahre hinein. Gemäß einem Bericht der örtlichen Behörden waren in der “Podgoria Aradului” im Jahr 1937 13.000 Joch mit Reben bepflanzt, deren Trauben jährlich im Schnitt 120.000-140.000 Hektoliter Wein ergehaben.

Die Abnahme von Produktion und bestellter Fläche verschlimmerte sich mit dem zweiten Weltkrieg, es gab kaum mehr Investitionen in den Sektor. Durch die Enteignungen in der Nachkriegszeit sank der Weinertrag noch weiter. Die Weinberge wurden Teil der Kollektivwirtschaften mit Sitz in Şiria, Barațca und Şagu. Die “Stațiunea de cercetări şi producție viticolă Miniş” (Forschungs- und Produktionsstation für Wein in Miniş), die im Jahr 1957 eingerichtet wurde, spielte eine tragende Rolle im Weinbau der kommunistischen Zeit. Ab 1960, nach der Neupflanzung von Reben, gab es eine Steigerung der Traubenmenge. Kurz darauf wurde aber auf die Pflanzung von Tafeltrauben für den Export umgestellt und ca. 300 Hektar jeweils von der Weinproduktion abgezogen. So kann man stufenweise eine Abnahme der mit Weinreben bepflanzten Fläche von 6538 im Jahr 1950 über 3854 in 1967 zu 3424 im Jahr 1986 feststellen.
Bis zum Jahr 2003, also vor dem Beitritt Rumäniens in die EU, gab es eine weitere Abnahme der mit Reben bepflanzten Fläche und nur noch 2773 Hektar Weinberg im Arader Land.

Heute sind im Kreis Arad 46 Weinbauunternehmen und 16 Weinproduzenten tätig, was 10 % der Weinindustrie Rumäniens entspricht. Die mit Weinreben bepflanzte Fläche ist mit 2700 Hektar immerhin weitgehend konstant geblieben und verteilt sich in der Podgoria Aradului auf eine Länge von 50 km und eine Breite von 1-4 km entlang der Hänge. Von den ansässigen Winzern, von denen einige Geheimtipps für Kenner der Qualitätsweine sind, wären zu nennen: Daikoni (Miniş), Balla Geza (Păuliş), Milo (Cuvin), Podrumu' Lu’ Gurban (Şiria) Villa Veche (Şiria), Dorvena (Pâncota), Dradara (Mocrea) Pivnițele Birăuaş (Ghioroc), Crama Rab Vine (Miniş), Crama Halta Lupilor (Şiria)

Heute ist das traditionsreiche Arader Weinbaugebiet im großen Kontext der Erzeugung von Weinen in der Europäischen Union zu sehen und die wenigen kleinen Weinbauproduzenten der Podgoria Aradului sind Teil der 2,2 Millionen Weinbaubetriebe der EU. Winzer können im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik finanzielle Unterstützung erhalten, sind aber auch Reglementierungen bezüglich der Anpflanzung neuer Rebflächen und nachhaltiger Produktionsverfahren unterworfen. Die Hauptziele der Reform der Weinpolitik der EU sind Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Sicherung des Binnenmarktes, geordnete Zunahme der Bepflanzungen, Sicherung der Qualität und nicht zuletzt der Schutz der Umwelt.
Mit Globalisierung und Klimawandel kommen neue Herausforderungen auf den Weinbau im Arader Land zu.
Der Klimawandel war in den letzten Jahren insofern spürbar, als die globale Erwärmung zu noch trockeneren und heißeren Sommer in der Gegend geführt hat, es kam zu einer vorzeitigen Reifung der Trauben und geringeren Erträgen.

Die wechselvolle Geschichte des Weinbaus im Arader Land mit den vielen Rückschlägen und Katastrophen, lässt einen aber hoffen, dass durch Unternehmergeist, Erfindungsreichtum und Innovation auch die Probleme der heutigen Zeit bewältigt werden und weiterhin Wein in der Arader Gegend gekeltert werden wird. Denn es gilt heute noch, was der antike Dramatiker Eurypides, der offenbar sowohl vom Theater als auch vom Wein etwas verstand, schon vor 2500 Jahren wusste: “wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens”. Und das wäre doch ein großer Verlust!
Liebe Astrid,
herzlichen Dank für diesen Artikel, das mich emotional sehr stark betroffen hat:
Dein Vortrag für die Hirnzellen, die Bilder für die Augen und - na klar - die Minischer Cadarca für den Gaumen verbleiben als "Dreierzauber" wohl ewig in Leib und Seele bei mir.
Mit lieben Grüßen aus Ludwigshafen
Andreas Schmitz