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Tanz in den Mai

Der Schäfflertanz ist eine Tradition in München, die es gemäß einer Legende seit der großen Pestepidemie im Jahr 1517 gibt. Damals waren die Fassmacher der Stadt die ersten, die sich wieder auf die Straßen getraut haben um ihren lustigen Hüpfetanz aufzuführen. Damit machten sie der verunsicherten Bevölkerung, die sich noch vor Ansteckung fürchtete Mut, sodass sie sich wieder aus dem Haus wagten. Diese Geschichte fiel mir ein, als wir Hansi Müller im April im Banat im Kulturheim in Großjetscha, während der Tanzprobe unter seiner Leitung, besuchten.

Das kleine verschlafene Heidedorf, in dem an diesem Tag im April draußen nichts los zu sein schien, überraschte uns mit einem großen schönen Veranstaltungssaal. Darin tobten, als wir eintraten, schon eine ganze Menge fröhlicher Kinder. Die Kleinen machten den Auftakt zur Probe am Donnerstag, die wöchentlich dort stattfindet.

So wie in dem alten bayerischen Volkslied Wos is heit für a Dog? (bayerisch für was ist heute für ein Tag), in dem den Wochentagen traditionelle kulinarische Spezialitäten zugeordnet werden, kann Hansi Müller die Woche im Banat nach Tanzproben einteilen. So müsste das Lied in abgewandelter Banater Version auf billedrisch etwa so weiter gehen: Heit is Montach, heit is Nitzkydorf-Tach… Oder Heit is Mittwoch, heit is Billed-Tach.

Und weiter: Wann alle Mittwoche Billed-Täch wäre, wäre mer luschtichi Leit!


Hansi leitet im Banat in verschiedenen Ortschaften Tanzgruppen, die sich aus Kindern und Jugendlichen zusammensetzen und bringt ihnen die Tänze unserer schwäbischen Vorfahren bei. Als Motivation nennt er die Kultur und das Brauchtum der Banater Schwaben, die er weiter tragen möchte, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Doch warum bringen die rumänischen Mütter der zum Teil noch recht kleinen Kinder ihren Nachwuchs in diese Tanzstunden? Sie könnten ja auch in die rumänische Volkstanzgruppe gehen.

Ich fragte einige der Frauen, die am Rand des Saals saßen und zuschauten während sich die Mädchen und Buben paarweise im Takt drehten. Fiindcă le place, weil es ihnen Spaß macht, lautete die ebenso prompte wie einleuchtende Antwort. Die Kinder, die sich in der Gruppe mit Freunden aus Schule oder Kindergarten treffen, gehen einfach gerne zur wöchentlichen Probe. Ich glaube Hansi, der mir auf Nachfrage antwortet, dass das auch maßgeblich mit seiner Person zu tun hat. Um jeden Abend in einem anderen Dorf verplant zu sein und auch in den Ferien Aktionen mit seinen Gruppen zu planen, muss man mit Enthusiasmus dabei sein. Selbst wir Besucher spürten das.

Hansi Müller hatte auf unsere telefonische Anfrage sich spontan Zeit für ein Treffen in der Temeswarer Altstadt genommen, wo er uns sein Büro am Domplatz vorführte und von seinem neu gegründeten bulgarisch-deutschen Kulturverein berichtete. Wir wollten eigentlich über die Planung des Billeder KulTour-Tages sprechen, landen aber beim Ukraine Krieg, der zur Zeit alles überschattet und in dem Hansi durch tatkräftiges Eingreifen Hilfe leistet. Außerdem fanden wir im Kaffee neben dem Dom sitzend im Gespräch heraus, dass wir uns wohl schon vor über 40 Jahren gesehen haben mussten. Nämlich in den sogenannten Baracken in Geretsried und im Lager in der Ostermayerstraße in München, wo wir beide als Kinder mit unseren Familien im Sommer 1980 untergebracht waren.


Das zeitaufwändige Engagement im Dienste der banater Tradition ist laut Hansi nur möglich, weil er keine Familie hat. Dafür habe ich über 400 Kinder stellte er lachend fest und meinte seine Tanzgruppen-Zöglinge.

Corona ist passé, die schwäbischen Tanzgruppen im Banat unter Hansis kundiger Anleitung tanzen schwungvoll in den Mai und in die Saison 2022. So wie die Schäffler in München, die heuer am 5. und am 7. Mai ihren traditionell siebenjährigen Rhythmus unterbrechen und außertourlich auftreten werden, um ein Zeichen zu setzen. Wie damals, nach der Pestepidemie, als die Münchener sich aus Angst vor Ansteckung noch nicht heraus trauten.


Wir hoffen, dass auch das gesellschaftliche Leben der Banater Schwaben wieder in Schwung kommt. Mögen die geplanten Auftritte der Tanzgruppen sowie die Veranstaltungen der Landsmannschaft im Banat und in Deutschland wieder regen Zulauf und zahlreiche Teilnehmer haben.

In dem verlinkten Video von Hans Rothgerber, in dem man durch seine besondere Kameraführung das Gefühl hat hautnah dabei zu sein, laden wir sie ganz herzlich zu einem gemeinsamen Tanz in den Mai ein.

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