Zu Gast beim 300-jährigen Jubiläum seit der Ansiedlung der Deutschen im Winzerort
Die Gemeinde Rekasch (Recaș), die malerisch am Fuße der ausgedehnten Hügel des berühmtesten Banater Weinbaugebietes liegt, feierte am 22. Juni nicht nur eine Kirchweih, sondern nicht weniger als 300 Jahre seit der Ansiedlung der Deutschen im schon seit dem späten Mittelalter multikulturell geprägten Winzerort.
Die Wichtigkeit der Bevölkerung des Weinbaugebietes Rekasch für Habsburg erkennt man daran, dass die Ansiedlung mit kompetenten und zuverlässigen Einwanderern aus dem westlichen Teil des Habsburgerreiches zur Chefsache erklärt worden war. Schon wenige Jahre nach der Eroberung Temeswars durch Eugen von Savoyen brachte, der zum Gouverneur des Banats ernannte Graf Florimund von Mercy, Waffengefährte des Prinzen, die ersten deutschen Siedler nach Rekasch, die den Ort mindestens 250 Jahre bis zu ihrer Aussiedlung prägen sollten.
Die Einladung zur Kirchweih der Rekascher durch Tiberiu Palikucsan und Anamaria Dascălu betrachteten Hans Rothgerber und ich als große Ehre und wir waren uns einig, dass wir es möglich machen würden, anwesend zu sein und mitzufeiern.
Um 11 Uhr fand der Festgottesdienst in der Römisch-Katholischen Kirche, gehalten von Ortspfarrer und Domherr Anton Butnaru statt. Die Rekascher Kirche unterscheidet sich von den meisten barocken Ortskirchen im Banat durch majestätische Größe und besonderem Baustil. Außen nüchtern und schon irgendwie modern wirkend wurde sie nach Aussagen des Pfarrers in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg nach Abriss des alten Gotteshauses neu errichtet und dürfte zu den größten und imposantesten Kirchen des Banats zählen.
Neben den lokalen Gruppen „Gutedel“ und „Recășana" sind als Gäste die Tanzgruppen „Banat-Ja“ (Sanktanna), „Hatzfelder Pipatsche", „Vergissmeinnicht“ (Busiasch), „Banater Kranz“ (Temeswar), „Edelweiss“ (Detta) und „Bunter Herbstreigen“ (Temeswar) mit dabei.
“Albert, ia-o pe Raluca de braț” - höre ich eine stolze Mutter den jugendlichen Trachtentragenden zurufen. Die Aufforderung zeigt exemplarisch, welchen Hintergrund die wunderschönen Paare der verschiedenen Tanz- und Trachtengruppen haben, die die schwäbische Tracht mit so viel Stolz präsentieren. Da gibt es Mitglieder der deutschen Minderheit in Rumänien, die auch noch deutsch sprechen, es gibt Jugendliche, die noch schwäbische Vorfahren haben, aber die Mehrheit der Mitwirkenden ist rumänischer Herkunft. Trotzdem tragen alle begeistert die aufwändigen, barock wirkenden Trachten der Schwaben. Vielleicht weil sie oder ihre Eltern die schwäbischen Kirchweihfeste im Banat vor dem Exodus der deutschen Minderheit noch erlebt haben.
In vielen Banater Ortschaften identifizieren sie sich heute, angeleitet von einer kleinen aber aktiven Gemeinschaft der deutschen Minderheit, mit diesem wertvollen Kulturgut ihrer Heimatregion.
“Veranstaltungen stehen und fallen mit einzelnen Personen. Vor allem…in der immer kleiner werdenden Welt der Banater Schwaben…” führt der Chefredakteur der Banater Zeitung, Siegfried Thiel, in seiner Reportage über das Jubiläumsfest in Rekasch aus, um anschließend Tiberiu Palikucsan, den Mentor der Rekascher Kirchweih zu würdigen.
“Tiberiu Palikucsan hatte den Ehrgeiz praktisch aus dem Nichts eine Tanzgruppe zu gründen und zusammen mit den Eltern der Jugendlichen die Tradition aufleben zu lassen” gab auch die Generalsekretärin des Rekascher Bürgermeisteramtes, Ramona Mineț, die an der Feier teilnahm, zu Protokoll.
Es ist schon das dritte Kirchweihfest von Palikucsan, der 1990 selbst Mitwirkender der Rekascher Kirchweih war und seit 2022 finanziert und unterstützt vom deutschen Forum im Banat federführend als Organisator tätig ist.
Von der HOG Rekasch ist Stefan Lehretter zu Gast in seinem alten Heimatort. Er schenkte mir ein wunderbar bebildertes Buch über die Kirchweih in Rekasch, in dem dokumentiert ist, wie sie früher war, als der Großteil der Rekascher Schwaben noch im Banat lebte.
Dem Bildteil vorangestellt ist ein Zitat aus dem Neuen Weg von 1956 von Franz Liebhardt: “Mit dem Herbst, da der Wein gekeltert wird, die Maiskolben ihr knisterndes Lieschenkleid hergeben müssen und man das Saatkorn in die aufgerissene Erde streut, kommt auch die Zeit der Kerweih. Wir dürfen mit Recht sagen - der schwäbischen Kerweih - denn sie gehört ausschließlich uns.”
Franz Liebhard alias Robert Reiter schrieb seinen Artikel zu einer Zeit, in der die schwäbische Kirchweih für die anderen Banater Ethnien noch tabu war. Selbst Kinder aus gemischten Ehen nahmen nur selten teil.
Die Vorzeichen haben sich inzwischen gewandelt. Die schwäbischen Tanzgruppen aus dem Banat tragen unabhängig von der ethnischen Zusammensetzung die Tradition der Kirchweih und des deutschen Volkstanzes weiter. Die Kirchweih, das größte Fest der Banater Deutschen hat sich, könnte man fast sagen, nach ihrer Auswanderung verselbständigt und lebt weiter. Auch werden diese Volkstanzgruppen inzwischen gerne zu Trachtenfesten und Heimattagen der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland eingeladen und senken den Altersdurchschnitt bei solchen Veranstaltungen beträchtlich.
So muss man die Aussage Franz Liebhards heute dahingehend ergänzend abwandeln, dass die schwäbische Kirchweih heute von all denen gefeiert wird, die sich der Gemeinschaft der Banater Schwaben nahe fühlen und das schwäbische Brauchtum zu feiern verstehen.
In der Hügellandschaft, in die eingebettet Rekasch malerisch liegt, befindet sich das renommierteste Weinbaugebiet des Banats. Die "Cramele Recaș", das rumänisch-britische Unternehmen, bewirtschaftet etwa 1200 Hektar Rebfläche in Recasch (Kreis Temesch) und ist einer der größten Produzenten von Flaschenwein in Rumänien.
Die älteste Erwähnung der Weinberge in Rekasch stammt vom 11. November 1447 in einer Urkunde, aus der hervorgeht, dass Mihail de Ciorna, Banul Severinului, die Weinberge von Ioan und Ecaterina Magyar für 32 ungarische Goldgulden kaufte. (wiki)
Ab 16 Uhr ging es im Kulturheim „Ion Cojar“ mit der Versteigerung von Tuch, Hut und Kerweihstrauß weiter und ab 17 Uhr folgte ein vielfältiges Kulturprogramm der Tanzgruppen mit Tanzeinlagen der unterschiedlichen Gruppen und Gesang.
Die Vorsitzende der Rumänisch-Deutschen Kulturgesellschaft Temeswar, Uni.-Lektorin Dr. Ana-Maria Dascălu-Romițan leitete das Kulturprogramm mit einem Grußwort der deutschen Konsulin Regina Lochner ein, in dem neben der Geschichte der Schwaben vor allem die Aufbauleistung der deutschen Siedler gewürdigt wurde. Im anschließenden sowohl fundierten als auch eloquent vorgetragenen Festvortrag hob auch Frau Dr. Dascălu die Spuren der deutschen Bewohner des Winzerortes hervor“, die man bis in unsere Gegenwart nachverfolgen könne und die im Rahmen der Kerweih, des Trachtenumzugs und des kulturellen Programms wieder erlebt und an die nächste Generation weiter gegeben würde.”
Das Engagement und die Rolle von Dr. Ana-Maria Dascălu, die der Veranstaltung durch ihre Rede Würde verlieh und sie in die Kontinuität der Traditionen der Banater Schwaben einordnete, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Das Fazit ihres Festvortrags: Es gehe darum, Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden, alte Erinnerungen wieder zu beleben und neue zu schaffen.
„Gutedel“ Rekasch wurde von Tiberiu Palikucsan gegründet und wird von ihm geleitet. Die Tanzgruppe entstand 2023 auch dank der Unterstützung einiger engagierter Eltern, welche die Kultur und Traditionen der Banater Schwaben aus Rekasch schätzen und an die Generation ihrer Kinder weitergeben wollen. Die neue Tanzgruppe ist nicht zufällig nach einer Weinsorte benannt, sondern spiegelt die Tradition der Winzer in dem Ort, die wiederum Paten stehen, für die neue Gruppe. Die Verwaltung des Weingutes “Cramele Rekasch” unterstützt die jungen Tänzerinnen und Tänzer durch finanzielle Mittel für Trachten und Ausfahrten.
Die Förderer der gesamten Veranstaltung waren die Stadtverwaltung Rekasch, die Weinstuben „Cramele Rekaș“, das Deutsche Forum der Banater Jugend, das Demokratische Forum der Deutschen im Banat sowie die Familien Pașca, Mura und Miheţ.
Am Rande der Veranstaltung entdeckte ich im Kulturheim eine Ausstellung über die Athleten des renommierten Rekascher Sportclubs in den dreißiger Jahren, in der ich neben anderen Spitzensportlern auch Fotos meines Großvaters Anton Höckl entdeckte.
In Deutschland werden die Banater Schwaben durch ein manchmal schon überstrapaziertes Wort oft als Brückenbauer bezeichnet. Die Jubiläumsfeier anlässlich 300 Jahre seit der deutschen Ansiedlung bildete eine Verbindung in die andere Richtung, aus dem Banat nach Deutschland. Wir sind froh, dass wir dabei waren und hoffen, dass uns über unsere virtuelle Brücke viele Leser auf dieses besondere Fest folgen.
Hans Rothgeber hat in einem kurzen Video einige Höhepunkte des fulminanten Kulturprogramms zusammengefasst und die begeisterte, mitreißende Stimmung auf der Rekascher Kirchweih aufgezeichnet. ➔ Link zum Video
Weitere Infos Funkforum: Kirchweih in Rekasch zum 300. Jahrestag seit der Ansiedlung der Schwaben
Banater Zeitung: Rekasch mit Gründungsjubiläum und Kirchweihfest
Hallo Astrid, hallo Hans,
euer Beitrag über das Kirchweihfest in Rekasch ist wirklich gelungen! Die tollen Bilder und das beeindruckende Video haben mir sehr gut gefallen. Ein großes Lob möchte ich auch für eure Internetseite aussprechen. Die interessanten Dokumentationen und netten Berichte über die Banater Tradition sowie das Banater schwäbische Leben im heutigen Banat sind einfach toll! Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß und viel Erfolg bei euren Banat-Touren.
Schöne Grüße Stefan
Eine beeindruckende Geschichte, liebe Astrid. Wir leben nicht mehr im Banat, umso unerwarteter und gleichzeitig schöner ist es, dass unsere Traditionen von Tracht, Musik und Tanz von jugendlichen Tanzgruppen weitergetragen wird, und das von meist rumänischen Jugendlichen. Dabei machen sie es mit einer so großen Hingabe und Begeisterung, die mich schon bei den Auftritten im Dorfmuseum anlässlich der Heimattage 2023 in Temeswar berührt haben.
So werden alle Banater Feste zu herzerwärmenden Feiern, in einem unglaublichen gemeinschaftlichen Streben, wie man es sich gar nicht vorstellen konnte. Schon kleinere Kinder wachsen in diese Tradition hinein, die diesen Landstrich zu etwas Besonderem macht.
Liebe Grüße
Edith