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AutorenbildAstrid Ziegler

Der Stempel des Habsburgerreiches


Die Entstehung der Siedlung Neupaulisch im Kontext des zweiten Schwabenzuges (1763–1772) Bebilderter Vortrag anläßlich der 250-jährigen Jubiläumsfeier

Ansicht von Neupaulisch von den Weinbergen


Viele Banater Ortschaften feierten in den letzten Jahren ihre Gründung oder Neugründung durch Ansiedler, die von den Habsburgern während ihrer Herrschaft ins Banat geholt wurden.


Die am südöstlichen Rand der Habsburgermonarchie gelegene Region Banat war nach jahrelangen Kämpfen mit den Osmanen zerstört und nach deren Abzug nur dünn besiedelt. Es gab zahlreiche entvölkerte Ortschaften, das fruchtbare Land lag brach und war von Sümpfen durchzogen.

Nach der Eroberung der Festung Temeswar im Jahr 1716 durch Prinz Eugen von Savoyen wurde die noch mittelalterlich geprägte Stadt völlig verändert, indem sie zu einen Festungsbollwerk ausgebaut wurde, das ein auf dem Reißbrett entworfenes rechtwinklig angelegtes Straßennetz bekam.


Der schachbrettartige charakteristische Grundriss der Festung Temeswar ist bis heute erhalten

Einer ersten Phase der Kolonisation des Banats durch Graf Mercy, in der Beamte der Monarchie, Handwerker, Bergarbeiter und Bauern ins Banat gerufen wurden, folgten Jahrzehnte der Stagnation. Erst in der Regierungszeit Maria Theresias und nach dem Ende des 7-jährigen Krieges mit Preußen 1763 begann eine neue Welle der Besiedlung des Banats. Die Siedler kamen aus den südwestlichen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches und jenseits seiner Grenzen.


Im Rahmen dieser planvollen Ansiedlung, die von 1763-1772 andauerte und als zweiter großer Schwabenzug bezeichnet wird, wurden zahlreiche Ortschaften gegründet und 50.000 Einwanderer angesiedelt. Meist wurden sogenannte Prädien durch die Siedler neu belebt und damit alten, zum Teil aus dem Mittelalter stammenden Orten, neues Leben eingehaucht. Im Temeswarer Verwalteramt wurde darüber Buch geführt und die Landesadministration informierte die K. K. Hof- und Untersuchungskommission über die Fortschritte dieser Besiedlung. Viele Banater Ortschaften werden im Zusammenhang damit namentlich erwähnt, so dass die Entstehung zahlreicher Banater Ortschaften urkundlich belegt ist.


Forscht man nach den Anfängen der Besiedlung in Neupaulisch, die in der Regierungszeit Maria Theresias als Kameralort, das heißt als Ansiedlung durch die ÖsterreichischeHofkammer neben der alten Gemeinde Paulisch entstand, muss man unterschiedliche Quellen heranziehen und vergleichen. Wir haben nämlich kein einschlägiges Dokument, das etwa den Bau der ersten Häuser erwähnt, wie es etwa im Fall der Ortschaft Billed vorhanden ist. Statt einer Geburtsurkunde für die Ansiedlung gibt es ein Mutterdorf, das schon seit dem Mittelalter unter sich leicht unterscheidenden Namen in den Quellen auftaucht. Aus der Zeit der Habsburger gibt es detaillierte Landkarten, auch Josephinische Landesaufnahme genannt. Schließlich kann man auch den Kirchenbüchern der Pfarrei Ghioroc, zu der Paulisch gehörte, wichtige Informationen entnehmen.


Der Ort Paly auf einer Karte von 1682


Die Ortschaft Paulis, Palelese, Paulilise, Palülese oder Paly wird im Jahr 1333 erwähnt, als in einer Urkunde von einem sacerdos de Paulilise die Rede ist, einem Priester, der seiner Gemeinde vorstand, die damals im Königreich Ungarn lag. Das Dokument ist neben weiteren in der Quellensammlung Monumenta Vaticana historiam Regni Hungariae illustrantia zu finden.


Paulisch liegt in der nordöstlichen Ecke des rumänischen Banats am rechten Ufer der Marosch an den Südhängen der ersten Erhebungswelle der Karpaten, dem Zarandgebirge. Fährt man von der Stadt Arad 24 km nach Osten trifft man auf die Weinstraße entlang der Hügel, an der sich das Dorf heute über eine Länge von 3,5 km ausdehnt.


Die Grundherrschaft über die Ortschaft wechselte im Mittelalter öfter zwischen Großgrundbesitzern und ungarischem König. Die Bewohner dieses alten Paulischs waren jahrhundertelang Fronbauern.

Ab 1430 fällt Paulisch zum Beispiel unter die Herrschaft des berühmten Woiwoden von Siebenbürgen Johann Hunyadi oder Iancu de Hunedoara, ab Mitte des 16. Jhd. unter türkische Herrschaft. Nach dem Frieden von Karlowitz im Jahr 1699 rückte das Habsburgerreich bis an die Marosch vor und drängte das türkische Herrschaftsgebiet zurück. Während der nördliche Teil des Flusses die Militärgrenze bildete, die von Serben und Ungarn verteidigt wurde, befand sich das Banat bis zum Frieden von Passarowitz 1718 noch unter türkischer Herrschaft. Damals siedelten sich serbische Familien in Paulisch an, von denen es auch heute noch einige Namen im Dorf gibt (Kuzmanovic, Arsici, …)


Nach der Eroberung und dem Ende der türkischen Herrschaft wurde das Banat Krondomäne, also eine Provinz, die den Habsburgern gehörte. Das Gebiet nördlich der Marosch, in dem auch Paulisch lag, kam wieder, wie vor der Herrschaft der Osmanen, zum Königreich Ungarn. Die königliche Kammer verschenkte oder verkaufte große Teile des Arader Komitats an verdiente Adelsgeschlechter, die auch Einwanderer auf ihre Güter brachten, aber auch oft als Verwalter der Kameralgüter tätig waren. Für Paulisch spielt die adelige Familie der Edelspacher, die Grundherren im benachbarten Gyorok waren, eine bedeutende Rolle. Sigismund von Edelspach wurde 1727 Edler de Gyorok und kurz darauf königlicher Rat. Er war seit 1724 Arader Präfekt und Kameralverwalter. Einer seiner Enkel, Emmerich von Edelspach, lebte in Neupaulisch und ist auch dort begraben. So ist es sehr wahrscheinlich, dass neben der Besiedlung von Ghioroc und weiterer an der heutigen Weinstraße gelegenen Ortschaften auch die Entstehung Neupaulischs unter seiner Federführung und Planung entstand.


Das Gebiet Neupaulischs zwischen der Gemarkung Minisch oben, Paulisch unten und den Hügeln von Radna rechts vor der Besiedlung.


Die Koordination des großen Ansiedlungsprojektes des Zweiten Schwabenzuges und die Verteilung der Einwanderer auf die entstehenden Ortschaften war kompliziert. Ab dem Jahr 1770, das für weite Teile Mittel- und Westeuropas aufgrund von Hungersnöten ein Krisenjahr war, kam ein noch nie da gewesener Menschenstrom ins Banat und durchkreuzte die Planungen der Behörden. Da es an fertigen Häusern mangelte, wurden viele Neuankömmlinge bei schon niedergelassenen Ansiedlern einquartiert, es kam zum Ausbruch von Krankheiten, Seuchen und zu einer hohen Sterberate unter den Einwanderern.


Parallel dazu kam es auch in dem alten Ort Paulisch, in dem damals rumänische, serbische und ungarische Bewohner lebten, zu einer Katastrophe. Die Marosch trat im Jahr 1772 über die Ufer und überschwemmte das gesamte Dorf, das damals nah am Ufer des Flusses lag. Die Zerstörung war so verheerend, dass beschlossen wurde, das alte Siedlungsgebiet aufzugeben und am Rand der Hügelkette in höherer, vor Hochwasser geschützter Lage, den Ort neu aufzubauen. Dabei bot es sich an, in die Planung der neuen Gemeinde auch einen Bereich für deutsche Siedler miteinzubeziehen.


Die Verlegung des Ortes von der Marosch an die Hügel der Zarander Berge (Munții Zarandului). Die ersten Häuser der neuen Siedlung, die Paulits genannt wird, sich wie eine Kette an die Weinberge anschließen.


Nach der Verlegung des Ortes infolge der Überschwemmung der Marosch 1772 kamen vermehrt katholische Ansiedler aus anderen westlichen Regionen des Habsburgerreiches in den neu gegründete Dorf.

Der Wunsch nach Freiheit und Sicherheit vor Krieg, Glaubensverfolgung, Hunger, Willkür der Gutsbesitzer und Existenznöten verschiedenster Art hatte viele Menschen ins Banat und schließlich nach Paulisch geführt.


Laut Kolonisationspatent, bekamen die Einwanderer, die sich auf Kameralgütern niederließen, eine sechsjährige Steuerfreiheit, freies Bau- und Brennholz, 24 Joch Acker, 6 Joch Wiesen, 6 Joch Weiden und 1 Joch Hausgrund, sowie den Handwerkern eine zehnjährige Steuerfreiheit zu. Bei freien Transportkosten erhielten Erwachsene pro Tag und Person 6 Kreuzer und Kinder 2 Kreuzer Verpflegungsgeld. Zum Bau der Häuser wurde ihnen ein Kostenvorschuss genehmigt, später bekamen sie sogar auf Staatskosten erstellte Häuser. Auch dieser Zug war nur katholischen Siedlern vorbehalten. (Quelle Wikipedia)


Und so tauchen im Gyoroker Pfarrarchiv in dieser Zeit neue Namen auf, die auch heute noch von aus Paulisch stammenden Landsleuten geführt werden: Bondan, Brost, Doni, Düran, Eich, Hack, Heuberger, Holzer, Ihm, Köpf, Lutsch, Müller, Reingruber, Reiter, Schmidt, Turtschany, Urban, Wegmann, Wolf. Auch die Herkunftsregionen der Siedler sind dort manchmal angegeben. Anhand dieser Quelle ist belegt, dass zum Beispiel die Familien Bondan, Doni, Düran (Duran), Mayet aus Elsaß-Lothringen stammen, die Reingruber, Heuberger, Holzer aus Bayern (die Pfalz gehörte damals zu Bayern), die Familien Bader, Borscht, Maxa, Schmidt aus Österreich und die Bistritzkis und Simitscheks aus Böhmen.


Der erste Abschnitt der Bebauung Neupaulischs erfolgte am Berg, entlang der alten Komitatsstraße nach Minisch und Ghioroc. Als dort kein Platz mehr war, begann man die Straße senkrecht zum Berg anzulegen, die wir als Neupaulischer Gasse bezeichnen. Als dieser Verbindungsweg zum Friedhof, dessen erste Grabkreuze übrigens auf das Jahr 1760 datierten, bis ans Ende bebaut war, ließen sich später deutschsprachige Einwanderer auch auf Altpaulischer Gebiet nieder.

Ab dem Jahr 1802 zogen nach und nach Leute aus anderen Gegenden nördlich der Marosch nach Paulisch, so aus den Ortschaften Glogowatz, Neupanat, Wilagosch oder Sanktanna. Es kamen auch einige Familien aus dem Banat südlich der Marosch, z.B. aus Perjamosch, Großsanktnikolaus oder aus dem Raum Altringen-Charlottenburg.


Diese Karte zeigt die beiden Ortsteile Alt-und Neupaulisch (Ó Paulis und Uj Paulisch) im 19. Jhd. Es erstreckt sich schon weit um den Gal-Berg herum. Auf der anderen Seite Richtung Minisch bildet die Neupaulischer Straße den Abschluss.


Die Karte zeigt eine Gemeinde, die in hundert Jahren stark gewachsen ist. Aus der am Hang gelegenen Straße ist eine Siedlung entstanden, die das für Banater Dörfer der Habsburgerzeit typische rechtwinklige Straßen- und Grundstücksnetz aufweist. Dieses Muster, schon in der Haupt- und Festungsstadt Temeswar geprägt, hat sich in den meisten Banater Ortschaften fortgesetz.


Landkartenausschnitt der Josephinische Landesaufnahme der Banater Heide 1806-1869


Landkartenausschnitt der Josephinische Landesaufnahme, rechts befindet sich die Festung Temeswar (1806-1869)


Auf der Landkarte mutet es wie ein Abdruck an, den die Habsburger der Region, über die sie 200 Jahre lang herrschten, aufgedrückt haben. Selbst heute auf Google Maps ist diese Prägung als Stempel der Habsburger noch gut sichtbar.


Abbildungen: Hans Rothgerber

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